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Aus »Musendämmerung. Tragödie«.   Vers 54821 bis 54904

ZWEITER AUFZUG. DRITTE SZENE


Aison, Skotos, Edom, Jakob.

JAKOB: Der Segelmacher schwätzt am hellen Tage,
Grad wie Sokrates täglich tat am Markte?
Ist dieses Flucht aus Widrigkeit und Plage
Dem Fleiße, der so froh sein Feld beharkte?

EDOM: Wir streiten um die Güte des Alleinen,
Der junge Mann schauts ohne Ziel und Gnade,
Er hindert seine Seele stolz am Weinen,
Ihr wäre wohl, wie meinem Kreuz im Bade.

JAKOB: Die Güte des Alleinen ist gegeben.
Dies ist der Stern, nach dem wir täglich steuern.
Wirds knapp, versiegt die Freude und das Leben,
Denn ohne Gut kein Segeln und kein Heuern.

AISON: Der Geist ist nichts zu schwelgen und zu geizen,
Er ist kein Mittel für den Zweck der Zwecke,
Er läßt sich nur von seinesgleichen reizen,
Und teilt sich nicht mit Lug und List die Decke.

JAKOB: Mit Geistern ist ein Schiff nicht zu bestücken,
Und Geisterschiffe niemand kauft und mietet,
Ob hoch ob klein, kein Mensch ist zu beglücken
Mit den Gespinsten, die die Ethik bietet.
Ich will euch sagen, wer der Herr der Welten,
Das Gold ists stets, und wögs in eurer Tasche,
So wohntet ihr nicht in Gespensterzelten,
Und fröntet nicht der Hinterweltlermasche.

AISON: Ich bin für Makler und Geschäftemacher
Kein Redner, und die Zeit ist fortgeschritten,
Auch taug ich nicht zum Edelmut-Entfacher,
Drum bleibt mir, um Entschuldigung zu bitten.
Wir kehren, uns an Prüfungen zu reiben,
Die einem Schüler sind die Welt der Welten,
Drum scheint mir keine Mußestund zu bleiben,
Zu schaun, welch Maße andern Ortes gelten.
(Mit Sktotos ab.)

JAKOB: Was hast du mit den Schülern hier zu schaffen,
Grünschnäbel sinds, erträglich nur im Chore,
Der Klügste wird gewißlich rasch zum Affen,
Steht Absicht nicht als Wächterin im Ohre.

EDOM: Seit ich zu Christo fand in meinem Herzen,
Hab ich den Wunsch, die Schulen zu begreifen,
Die hin und her in Übermut und Schmerzen,
Sich wider seinen Gnadenborn versteifen.

JAKOB: Dacht ich mirs doch, denn eine Narrheit fruchtet
Der nächsten und so weiter. Meid die erste!
Ich seh, wie sich die Stirn dir mählich buchtet,
Und sorg mich, daß sie eines Tags dir berste.

EDOM: Warum hängst du so zäh am alten Muster
Und weigerst dich, die Gabe anzunehmen?
Glaub mir, du lebtest reifer und bewußter,
Würdst du dich zur Veränderung bequemen.

JAKOB: Du irrst! Denn würde ich mein Volk verlassen,
Gewönn ich nichts als blanken Hohn und Schande,
Denn alles was mich nährt und meine Kassen,
Das sind und bleiben die Familienbande.

EDOM: Was sprichst du von Familie, wo dein Vater
Schon lange tot und niemals sprachst von Vettern,
Mir scheint es ein erbärmliches Theater,
Hör ich dich die Familienhymne schmettern.

JAKOB: Mein Volk ist mir Familie, denn die Söhne
Von Abraham sind wir in allen Landen.
Mir scheint, bei diesem christlichen Gestöhne
Kam Weisheit dir als Muttermilch abhanden.

EDOM: Das Volk, von dem du sprichst, eine Chimäre.
In allen Völkern macht ihr Proselyten,
Das Judenvolk längst ausgestorben wäre,
Wenn sich die Talmudisten nicht bemühten.
Die Religion ist ebenso wie meine,
Dem frei, der froh, zur Bruderschaft zu zählen,
Drum sprich mir nicht von einem alten Weine,
Wir sollten frei die beßre Lehre wählen.

JAKOB: Kein Volk ist frei von jeglichem Vermengen,
Daß man ihm deshalb Existenz bestritte,
Ist ein Konstrukt, wenn Feinde die bedrängen,
Die Gottes Bund hat ausersehn zur Mitte.

EDOM: Ein neuer Bund, der frei vom Bruderzwiste,
Dem Streit ums Erbe, der Geschlechter spaltet,
Daß einer nicht den andern überliste
Und Segen überm Reich des Friedens waltet!

JAKOB: Ein neuer Bund, drum kündige den alten!
Ein Träumer, der bei Philosophen döste!
Nicht einen Tag würd mein Geschäft sich halten,
Wenn ich vom Volke Abrahams mich löste.
Nur wer im Volk der Auserwählten fechtet,
Hat Glück bei Handel, Zins und seine Mannen
Sind überall, wenn er mit Neidern rechtet,
Du aber ziehst mit dem Geschmeiß von dannen.