|
Aus »Orpheus. Tragödie«. Vers 52926 bis 53001 ZWEITER AUFZUG. ERSTE SZENE Düstere Grotte, mit Spinnweben verhangen. Schutt von zerschlagnen Skulpturen. In der Mitte ein altes Weib in ledrigem Gewand mit sehr langem, weißem Haar, auf ihr lastet ein mächtiger Gesteinsbrocken. Orpheus. ORPHEUS: Kaum sprechen mag ich und nie wieder singen, Der Ort der Nacht ist recht für mein Zerfließen, Die Sonnenstrahlen grad wie Pfeile dringen Ins Herz mir, um die Kammern zu zerschießen. Wo Wälder rauschten, herrschen Eis und Wüste, Die Quellen sind versiegt und taub die Gräser, Der Aar, der einst den Heiteren begrüßte, Wich dem Gequak, der Wind, der Flötenbläser Bereift das ganz zerrißne Spinngewebe, Und von den Bäumen brechen morsche Äste, Ein Fluch ists, daß ich geh und steh und lebe, Denn nur der Tod baut prächtige Paläste. (Er setzt sich und starrt dumpf vor sich hin.) Daß Aristaios ich im Zorn erschlüge, Schüf keinen Trost, dem Vater brächt es Schande, Ihn träfe keine Schuld, beharrt die Lüge, Und hochgeschätzt ist er im ganzen Lande. Er brachte Honig, Käse und Oliven, Dem Volk gilt er als Löser aller Nöte, Da ist kein Recht, daß man ihm nicht verbriefen Gern würde unds in goldner Schale böte. Wie konnte jenen, dem die Frauen jubeln, Die meine, die ihm gänzlich abhold, reizen? Konnt er, beliebt auf Festen und in Trubeln, Nicht einer gönnen, wider ihn zu geizen? Daß sie unachtsam trat auf eine Natter – Wars nicht sein Werk, der sie mit Furcht geblendet? Schloß er nicht um die Flüchtende das Gatter, Der alles Weg, bleib sie nur ungeschändet? Ach, Hermes, der mich einst den Argonauten Hat zugeführt, nahm sie als Seelenleiter ? Seis, daß die Götter voller Neid erschauten, Daß wir uns liebten tiefer, wahrer, weiter? Es sei wies sei, es nutzt mir nichts zu grübeln. Die Sonne sank, die Nacht flicht ihre Schemen. Es traf mich schon das ärgste von den Übeln, Drum leicht ists, was noch folge, anzunehmen. Das Herz wird mir nicht leichter beim Gedanken, Ich muß den Weg ins Totenreich ergründen, Ich muß zerreißen die gesetzten Schranken Des Pfuhls, darein die Hoffnungen uns münden. Wer weist mir meinen Weg? Nur die Verfemten Sind solchen Wissens an der Grenze munter, Doch daß sie mich zu weisen sich bequemten, Ist grad, als mach die Blum der Nachtfrost bunter. Wer solches weiß, der schweigt und gähnt zuzeiten, Kein Mittel gibts, daß ihm die Worte sprießen. Doch wars nicht so, daß mir beim Lungenweiten Es schien, als ob vom Fels die Tränen fließen? Ich wollte eben niemals wieder singen, Und tät ichs doch, so wär es nichts als Klage, Doch möglich scheints, daß dennoch Quellen springen, Wo Tag und Dunkel stehn in goldner Waage. Du hörst es nicht, Eurydike, mein Engel, Musik ist nicht im dumpfen Reich der Schatten, Ich sing die Natter und das Giftgeschlängel, Den Sturz und deinen Seufzer, den schon matten, Ich sing die große ungerechte Schande, Die Dunkelstunde aller lichten Äther, Ich singe unsre bös zerschnittnen Bande, Die Inschrift, daß es geb dem Herz kein Später. Ich singe wider alle lichten Träume, Die Hoffnung, daß da nicht nur Narreteien, Ich schmäh den Wald und alle Eibenbäume, Und will die Götter der Verschwörung zeihen. Ich singe, daß der Pakt sei aufgehoben, Da Zeus, Poseidon sich mit Hades teilten Die Welt, die sich als Unten stellt und Oben, Und sorgten, daß die Schatten nachthin eilten. Ich schlag die Leier und voll Blut die Finger, Daß sich mir öffne nach dem Styx die Grotte, Die dort geschworn, es herrsch des Traums Gelinger, Will ich verklagen bei dem härtsten Gotte. Ich singe, daß die Felsen sich erbarmen, Die Erde aufreißt und mir reicht den Nabel, Ich lasse allen Lichtes Wohlumarmen Und trete in des Sperbers offnen Schnabel. |