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Aus »Orpheus. Tragödie«.   Vers 52818 bis 52925

ERSTER AUFZUG. SECHSTE SZENE


Es wird dunkel und wieder hell.


Orpheus, Eurydike.


ORPHEUS (singt):
Was will die Heimat meinem Herz bescheren?
Mir reichen, daß ich blühe und gesunde?
Entbehren
Wird härter jeder Stunde!
Ich zog durch viele Länder, Küsten, Riffe,
Doch machte mich ihr Reiz nur immer tauber.
Begriffe
Doch einer diesen Zauber!
Die Lust, sie auf den Armen fortzutragen,
Ist holder als das Meer und selbst die Sonne,
Ihr Wagen
Verblaßt vor solcher Wonne!
Sie ist das Segel, jeden Wind zu fangen,
Sie ist das Land, das zu befahrn ich trunken,
Doch Bangen
Hör ich im Sumpfe unken.
O nein, der Neid des Himmels kann nicht wagen,
Die Mitte aller Holdheit zu entfernen!
Zu sagen
Habs ich vor allen Sternen.
In ihr wird uns das Leichte erst zum Leichten,
In ihr wird uns die Schwere erst zur Schwere,
Was immer die Unendlichen mir eichten,
Es gibt nur eine Göttin, die ich ehre.
Sie eint das Dunkel mit dem hellsten Lachen,
Sie eint das Einst Erinnerns dem erhofften,
Sie gab dem Hauch, draus sich die Welten machen,
Den Namen, daß die Strophen sich verstofften.
Sie wird mit einem Augenschlag vernichten
Die Einsamkeit der Ruhe und am Morgen,
Sie nimmt die Müh von allen Sorgepflichten
Und zeigt mir, daß ich selig und geborgen.

EURYDIKE: Ich wußte, dieser Tag wird hell und klarer
Als alle die der langen Nacht entrannen,
Die Amsel sang vom Land der Meeresfahrer
Und flötete den Traum, den wir begannen.
Ich spüre tief, daß deine große Seele
Nicht trübten die Entfernung und der Schatten,
Ein frohes Lied erwacht in deiner Kehle,
Als träumten wir die Zeit auf Rasenmatten.
Es scheint mir gar, als wären all die Monde
Des Bangens nur ein Dunst, der kam vom Weiher,
Und Eros, der uns stets zu Häupten thronte,
Besorgte nur das Nötigste zu Feier.
Wie ausgelöscht ist alles, was uns trennte,
Tönt nur ein einzger Reim in meinem Ohre,
Dies sagt das All und alle Elemente,
Und am Olymp erstaunt man vor dem Chore.

ORPHEUS: Nur du alleine kannst den Schleier heben,
Der düster macht das Wägen und das Wagen,
Nur du verschaffst mir Eigenheit und Leben,
Nur du vermagst den Namen mir zu sagen.
Erst als du mir aus Laubgeraschel leiblich,
Fand Ort und Zeit ich auf der trüben Erde,
Allein durch dich ist mir die Welt beschreiblich,
Und tief verbürgt, daß sie die meine werde.
Wir wollen ewig preisen, daß sie lehrte
Uns Liebe, die von allem Traum die Mitte,
Was je beflügelt und im Fall beschwerte,
Es ist nach der Vereinigung die Bitte,
Denn alle Wesen suchen nach dem Tanze
Des Einsseins, der erweicht das Herz dem Neider,
Unwiderstehlich recht behält das Ganze,
Drum gilt das Lob dem Liebesglücke beider.

EURYDIKE: Ein tiefes Rätsel ists, daß alle Nöte
Nur einer bannt, der hehr vor allen Schwänen.
Verbirgt ihn noch der Jugend Morgenröte
So pocht das Herz den sanften Tau der Tränen.
Dann aber, wenn im Felde Pan die Hirten
Erschreckt und um den Hirsch das Dickicht dunkel,
Die Zeichen in den Rinden sich entwirrten,
Und deutbar wird das nächtge Sterngefunkel.
Was uns geschieht, ist vorbestimmt schon immer,
Dies wissend fällt die Binde von dem Haupte,
Und du erkennst auf jedem Blatt den Schimmer,
Der die Erfüllung schon im Anfang glaubte.
Allein die Torheit, Wolkendunst zu deuten,
Verhindert, stets zu wissen, wie begnadet
Das Aug ist, dem die Osterglocken läuten,
Daß Dulden und Verharren niemals schadet.

ORPHEUS: Wenn einer fand, was ihn ergänzt und ründet,
Beweist dies das Gesetz, daß jedem Wesen
Bestimmt ist, daß die Sehnsucht endlich mündet
Und daß der Schmerz ein Weg ist, zu genesen.
Drum ist das Glück, das zweie überwältigt,
Ein Glück auch jedem, der es darf erschauen,
Es zeigt den Segen, der sich rings verfältigt
Im Ruf, den Schritt zur Wahrheit sich zu trauen.
Denn zu erkennen, daß das Glück gewoben
Vor aller Zeit, heißt einem Trotz entsagen,
Der sündig ganz allein, denn nur das Loben
Trägt uns den Himmel und den Sonnenwagen.

EURYDIKE: Im Laubicht raunt das grüne Ungefähre,
Es liebt, doch nicht in auserwählter Strenge,
Im Blute erst spricht die Moirenschere
Vom Unvermischten allerhöchster Ränge.
Wer sich erlaubt, nach solchem Glück zu haschen,
Weiß wohl, kein zweites könnt es je ersetzen,
Ihn kann kein Tau vom Nachtgelichter waschen,
Noch schützen, daß die Feuer ihn verletzen.
Wer also liebt im ungetrübten Sinne,
Trägt nicht nur Atlas sondern alle Himmel,
Er ist sich einer Weltensäule inne,
Die kreisen läßt das sonstige Gewimmel.
Das Ja zum Glück läßt Stern und Sonne stehen,
Spricht allem hohn, was läßlich sich bescheidet,
Setzt eigenhold ins Wachsen und Vergehen
Die Wiese, drauf Apoll die Lämmer weidet.
(Sie umarmen sich.)