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Aus »Orpheus. Tragödie«.   Vers 52730 bis 52817

ERSTER AUFZUG. FÜNFTE SZENE


Eurydike, Kalliope, Aristaios.

ARISTAIOS: Ich such den Hof und keine wilden Tiere,
Drum bin ich wohl vom Pfade abgekommen,
Entschuldigt, daß ich mich nicht lange ziere,
Zu fragen wie der rechte sei genommen.

KALLIOPE: Ich bin die Königin in diesem Reiche,
Drum pön ich deine falsche Diagnose,
Der wilde Jäger sieht allein das Gleiche,
Doch diesmal ziemt sich eine andre Pose.

ARISTAIOS (verbeugt sich devot):
Wie ungeschickt mein Wort vom tiefen Tanne,
Ich bin erschöpft von Bergen und von Schluchten,
Gewöhnlich steh ich in ganz anderm Banne
Bei Wechselwinden oder schmalen Buchten.

KALLIOPE: Du reist umher, ist Handel deine Sache?
Hast Botschaft du von fernen Meern und Küsten?
Ich bins gewohnt, daß ich nicht Umweg mache,
Weil wir sehr gern so manche Neuheit wüßten.

ARISTAIOS: Apoll verwandt viel Mühe, mich zu bilden,
Die Nymphen lehrten, goldne Kunst der Bienen
Zu führen aus der Jägerei im Wilden
In Wohnungen, die unsrer Ernte dienen.
Die Körbe sind als Stülper oder Beuten
Gemacht, uns Wachs und Honig zu bescheren,
Den Göttertrank vermach ich allen Leuten,
Erlaub ich mir, den Landstrich zu beehren.
Auch lernte ich, die Milch vor dem Verderben
Nicht nur zu schützen, sondern noch zu steigern,
Die Speis davon mag für sich selber werben,
Doch werd ich mich dem Lobspruch nicht verweigern.
Jedoch das größte Wunder meiner Gaben
Für Augen, die sich noch begeistern wollen,
Der Ölbaum ists, und allen die ihn haben,
Sehn keinen gleichauf mit dem segensvollen.
Nicht nur, daß er mit reicher Frucht uns sättigt,
Er salbt den König und er nährt die Leuchte,
Kein Darben, das sein Überfluß nicht fettigt,
Er wirkt, daß man ansonsten gar nichts bräuchte.
Er mag die trocknen Winde unsrer Heiden,
Sein Holz ist hart und eignet sich für Äxte,
Fast ewig lebt er, rundum zu beneiden,
Er heilt den Sinn, drum wähle ihn der sechste.

KALLIOPE: Gemeinhin folgt auf großes Licht ein Schatten
Gleichauf, drum sei uns bitte nicht verschwiegen,
In eurer Red, der allzu seidig glatten,
Ein Haken wird gewiß im Köder liegen.

ARISTAIOS: Den Schatten wirft die Sonne uns gewöhnlich,
Doch unterbleibts, erstrahlt sie im Zenite,
Ist eure Skepsis sonst auch unversöhnlich,
Hier fehlt der Reim, der Löbliches bestritte.
Gleichwohl sind meine Gaben ein geringes,
Strahlt eurer Tochter Anmut mir dagegen,
Mir scheint, den Sphären unsers Weltenringes
Ist diese Maid der allerhöchste Segen.

KALLIOPE: Recht artig singst der Jugend du zum Preise,
Doch ist die Holde meinem Sohn versprochen,
Er salbt die Sphären ganz auf seine Weise,
Drum meidet, was euch so ins Aug gestochen.
Zwar tut er derzeit fern die Heldentaten,
Doch kehrt er heim, gleicht seiner Würde keine,
Die je dem Land der Thraker ist entraten,
Drum rühr nicht an das Liebliche und Reine.

ARISTAIOS: Was sagt die Liebe selbst zu diesem Warnen?
Wie gern hört ich die Stimme einmal klingen.
Arachne knüpft ihr Netz so gern an Farnen,
Der Mücke taugts, wenn grüne Wedel schwingen.

EURYDIKE: Mein Held trägt nicht den Segen im Gepäcke,
Sein Sang macht Tiere zahm und Felsen weinen,
Ihm nur gelangs, daß mich das Laubicht wecke,
Erfahrend, daß die Träume ganz die meinen.

ARISTAIOS: Die Lieblichkeit der Stimme und der Worte,
Vergißt, wen duftend zarte Öle salben,
Und was dir schien zu höchstem Glück die Pforte,
Erkennst du rasch als Einfahrt nur zum halben.

KALLIOPE: Die Schattenseite also nicht verhohlen,
Der Ehebruch ist das Begehrn des Schenken,
Mach dich zum König auf mit raschen Sohlen
Und hüte dich, den Antrag fortzudenken.
(Aristaios ab.)

EURYDIKE: Geballte Dreistigkeit in allen Knochen
Ließ sie vor unsern Augen beinah bersten.
Ich glaub, der Braten wird recht bald gerochen,
Die Weizenähren sind am Ende Gersten.

KALLIOPE: Hochstapelei ist lächelnd zu ertragen,
Doch dieser Knabe wird vielleicht gefährlich,
Wenn ihn die Götter nicht zu schmähen wagen,
Erscheint wers tut, am Ende wenig ehrlich.
Hoch ausgezeichnet meint er wohl, ihm fromme
Ein jedes, was ihm heißt das gute Wetter,
Ich bin mir sicher, daß er wiederkomme,
Drum achte, daß sein Mut dich nicht zerschmetter.