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Aus »Orpheus. Tragödie«.   Vers 52670 bis 52729

ERSTER AUFZUG. VIERTE SZENE


Eurydike, Kalliope.

KALLIOPE: Im Walde gehn ist dir gewiß Vergnügen,
Auch mir wars im Palast zuerst recht enge,
Der König doch – ein Strom –, ich müßte lügen,
Sagt ich, die Werbung zog sich in die Länge.
Daß Orpheus, unser Sohn, ward abberufen,
Den Kummer trägt die Liebe nicht alleine,
Grau stehn die Säulen und im Saal die Stufen,
Und selbst die Vögel singen nicht im Haine.

EURYDIKE: Wenn man nur etwas näheres erführe,
Nach Kolchis heißt es, weit zu den Barbaren,
Und dennoch denk ich, knarrt es an der Türe,
Die aufgestoßne würd ihn offenbaren.
Er macht den Helden Mut, die großen Werke
Zu tun, die dieser Reise aufgetragen,
Ich glaube, er verfünffacht ihre Stärke,
Daß sie, was ganz unmöglich ausschaut, wagen.
Doch weh, wenn aber nun der Schein nicht trüge,
Und was sie wollen, wirklich nicht zu schaffen,
Die Götter trifft gewißlich keine Rüge,
Und nur auf uns die bösen Nachbarn gaffen.

KALLIOPE: Beim König gehen aus und ein die Boten,
Solch großes Schiff muß für Verpflegung rasten,
Aus allen Reichen, außerm Reich der Toten,
Pflegt Nachricht sich an uns heranzutasten.

EURYDIKE: Erzähle mir, eh er begann zu singen,
Vertraute er da Hören oder Schauen,
Ich denke oft, es müßte doch gelingen,
Ein ungetrübtes Bild zurechtzubauen.

KALLIOPE: Ich bin als Mutter nicht so unbefangen,
Wies menschlich wär, mit Griffel und mit Tafel
Bin ich die Sache härter angegangen
Und abhold allem törichten Geschwafel.
Da Zeus mit uns hat Hoffnungen und Pläne,
Verstand ich stets mich selbst als ein Gesandtes.
Doch wie Apollons Nachen brachten Schwäne,
Führt selbst den Zeus ein gänzlich Unbekanntes.
Drum soll der Muse nicht der Rang genügen,
Den ihr die Abkunft zuspricht vor dem Volke,
Sonst gehts vielleicht wie manchen Höhenflügen,
Daß irgendwann zerstoben ist die Wolke.

EURYDIKE: Weil du so nebelfrei und unbestechlich,
Ist dir die Wahrheit offener und nackter,
So sagst du nicht, was völlig nebensächlich,
Und schilderst mir den innersten Charakter.

KALLIOPE: Erhoffe nicht den Knaben, der gefahren,
Er kehrt nicht mit nur äußerlichen Narben,
Der Wind spielt nicht nur mit den offnen Haaren,
Unwandelbar sind einzig, welche starben.
Bedenk, er lebt mit kriegerischen Mannen,
Die nicht nur stark, auch roh und hartgesotten,
Im Käfergriff so weißt du von den Tannen,
Daß sie sich nicht grad jugendlich vergotten.
Auch fremde Sitten, Schlachten, Ungeheuer,
Von vielen Dingen schweigt am Hof der Sänger,
Er geht durchs Eis und durch das schwarze Feuer,
Laß ausmaln mich das ganze nicht noch länger.

EURYDIKE: Du sprachst von Härte, doch ich unterschätzte
Das Ausmaß, und ich will nicht weiter drängen,
Ich bete, daß das Sternbild, daß ihn hetzte,
Mich tröste, daß nicht klamm die Flügel hängen.