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Aus »Orpheus. Tragödie«.   Vers 52602 bis 52669

ERSTER AUFZUG. DRITTE SZENE


Orpheus, Eurydike, Hermes.

EURYDIKE: Dort ist wer, und er steht genau im Wege!
Er steht, als könnt ihn keine Macht vertreiben.
O weh, ich floh der allertreusten Pflege!
Wer, Orpheus, stellt sich wider das Beweiben?

HERMES: Die Vordergründe scheinen mir entbehrlich,
Denn mich erkennt man leicht an meinen Werken.

ORPHEUS: So ist es in der Tat, ich sage ehrlich,
Der Schritt war leicht und darum nicht zu merken.

HERMES: Ich bin es leid, gewaltig Lärm zu machen
Wie Zeus, der kommt mit Blitzen und Getöse,
Ich bringe euch kein Häschen, keinen Drachen,
Denn jenseits bin ich ganz von Gut und Böse.

ORPHEUS: So bist du Hermes, der uns unerbittlich
Mahnt an das nächste, das von fern beschlossen.
Wir warben um einander rein und sittlich –
Was hat die Götter wider uns verdrossen?

HERMES: Wir pönen nicht die Werbung und die Ehe,
Ich hab sie deinem Vater schon verkündigt,
Er segnet sie mit allem Wohl und Wehe,
Drum liebt ihr ganz gesetzlich und entsündigt.

ORPHEUS: Wozu die Eile und das Selbsterscheinen?
Wir wären ohnehin jetzt hingeschritten,
Sein Wunsch ist lang, ich möge mich vereinen,
Drum ist gewiß sein Beistand meinen Bitten.

HERMES: Die Dinge liegen so, daß nicht die Kleine
Der Bräutigam führt selber nach dem Hofe,
Da ich an alles denk, wenn ich erscheine,
Steht auch am Waldrand schon die rechte Zofe.

ORPHEUS: Was soll mich hindern, meine Braut zu tragen
Zum Vater und so über meine Schwelle?
Ich brauche keine Zofen oder Wagen
Denn wie der heitre bin ich auch der schnelle.

HERMES: Ich werde dies verhindern, denn beschlossen
Ist, daß du reisest jetzt und unverzüglich,
Schon säumig bist du, bei den Fahrtgenossen
Das Murren zeigt sich laut und wenig trüglich.

EURYDIKE: Weh Orpheus, hüte deine flinke Zunge,
Du weißt, die Götter lassen uns nicht spaßen,
Nicht nur dem Vater sei ein braver Junge,
Der Himmel mißt sich nicht mit unsern Maßen.

ORPHEUS: Wohin in aller Welt soll ich denn reisen?
Ich bin hier froh, und ich bin hier zuhause.
Du magst dem Dieb, dem Räuber Zuflucht weisen,
Daß ihm nicht länger vor Verfolgung grause.
Ich aber steh als Prinz im eignen Reiche
Man lehrte mich, es gehe an die Ehre,
Daß man nicht kampflos aus der Heimat weiche,
Wer immer dies befehle und begehre.

HERMES: Als ehrlos schilt der Narr die großen Dinge,
Die wandeln hinter seinem Horizonte,
Daß Zeus der Zug halb Griechenlands gelinge,
Bist du schon bald zu Schiff am Hellesponte.
Noch heute gehts nach Iolkos in Thessalien,
Dort ist der Sammelplatz der Argonauten,
Und nun verschon mich bitte mit Lappalien,
Bevor die Augen diese Helden schauten.
(Mit Orpheus ab.)

EURYDIKE: Noch eben hieß es Zofe und Geleite,
Nun ist der Bote fort und auch der Sänger,
Und dunkel wirds, ich hab nicht einmal Scheite
Zu leuchten, ob da nicht ein Bärenfänger.
Kaum bin ich aus der Baumwelt ausgetreten,
Schon spür ich die Beschleunigung des Wandels,
Es scheint, hier zeigt sich öfter ungebeten
Der Gott der Reisen und des freien Handels.
Da nützt es nichts zu klagen und zu greinen,
Allein such ich den Weg zu diesem Throne,
Denn frisch verlobt, will es nicht statthaft scheinen,
Zu hadern mit dem Schmutze und dem Hohne.
(Es wird dunkel und dann neuer Tag.)