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Aus »Orpheus. Tragödie«. Vers 52430 bis 52521 ERSTER AUFZUG. ERSTE SZENE Ein Wald in den Rhodopen. Man hört die Bienen summen. Orpheus, Eiben. ORPHEUS: Im Wald ist stets ein großes Musizieren, Die Quelle murmelt und es knarren Äste, Der Zephyr sagt den Eiben wie den Tieren, Daß er sie lud zu einem Atem-Feste. Die Bienen summen, wenn die Sonne knistert, Die Nymphen huschen fein wie Spinngewebe, Wo sich der Stamm dem Purpurpilz verschwistert, Preist auch die Mistel, daß sie rankend lebe. Die Schwalben sind die liebsten mir der Boten, Von Abschied und von Wiederkehr sie singen, Maikäfer labt sich am Verjährten, Toten Und auch die Goldne Acht zeigt mir die Schwingen. Der Diptam wirbt so sehr, daß bald entflammen Das Öl die Strahlen, die es mir vergolden. Wo so viel Laut und so viel Luft beisammen, Wer mag da nicht nur trunken sein vom Holden? Wem ist nach einer Botschaft noch zumute, Wo das Vollkommne sagt sich ohne Sinnen? Wem hörbar wird das Blühende und Gute, Wer wollte einen Reim darauf beginnen? Die Leier, die beschämt das Einzelwesen, Muß schweigen, wenn der Chor im Walderwachen Zurechtweist, was sich achtet für erlesen, Denn keine Sehne kann so selig machen. EIBEN: Die Welt ist Klang, doch ohne alle Weiser, Drum mußt du singen, daß sich alles richte, Doch machst den Chor im Augenblicke leiser, Daß er sich heb in stärkerem Gewichte. Nicht hat Apoll die Lyra dir gespendet, Daß du versänkst in Zweifel und Entsagen, Du mußt, bevor die Mittagsstunde endet, Den Sturm der Seele in die Kronen tragen, Denn all die Bäume, die hier schaun und staunen, Bevölkert sind mit Ohren, die dir lauschen, Sie warten, daß du aufwachst aus den Launen Und läßt das Meer im stillen Haine rauschen. ORPHEUS: Ihr Eiben, maiensatt und so verwunden, Ich bin ein brauner Gnom an eurem Fuße, Was mir gelingt, gestaltet und gebunden, Dankt, daß zum Lauschen euch die rechte Muße. Ich bin beschenkt, doch gleichwohl arm geblieben, Mir sprengts die Brust, euch blumig anzufragen: Bin ich dem Joch der Einsamkeit verschrieben, Wirds einst in meinem wunden Herzen tagen? Die ihr vertraut seid mit den Wechselwinden, Dem Himmel wie mit krumig schwarzen Säften: Wird mich ein Herz vom Kronos' Blei entbinden, Wird sichs an meins als Heil und Mitte heften? Sind mir bestimmt nur Sehnen und Erwecken, Nur Sämerein ins Offne und Gefügte? Könnt sein, daß mir daraus ein eigner Flecken Erwüchs, der meinem tiefsten Traum genügte? EIBEN: Was ferne scheint, ist nahe wie zum Greifen, Kein Schleier hehlts, den Götter drumgeschlungen, Wer aber meint, die Welten müßten reifen, Prüf, ob er selbst vom Traume ganz durchdrungen. Denn nur die eigne Blindheit läßt verlassen Den Blinden scheinen, der den andern leuchtet, Das Glück ist nur dem Geiste nicht zu fassen, Drum schau, eh sich das Auge so befeuchtet, Daß alles fließt, als sei bestimmt der Quelle Der Sänger, den im Baume liebt die Krone, Wo das Gewirk sich mengt der größten Helle, Erfahr den Kuß, der leblang in dir wohne. ORPHEUS (singt): Wer rekelt sich im blättergrünen Dache Grad wie die Wolken auf dem Dunst der Meere? Erwache Und hör wie ich begehre! Nicht sing ich auf dem Feld und bei den Klippen, Ich bin zuhaus, wo Äste sich verzweigen, Nur nippen, So will ich und dann schweigen! Wer sterblich ist, erfährt im Baume Alter, Doch auch die Jugend, die im Laubicht säuselt, Ein Falter Am Wasser, das sich kräuselt. Nicht preise ich den felsgehaunen Pfeiler, Der weist die Schritte nur in nächste Nähe, Der Heiler Weist weiter als ich spähe. Was feststeht uns zu fassen und zu flügeln, Soll nicht der Stimme Lieblichkeit erwecken, Im Zügeln Solln Traum und Tausch sich necken. Nur eine kanns und sie wird weithin richten Daß sich das Aug dem Ohre zugeselle, Im Lichten Verfalbt die schönste Helle. Drum steig sie aus dem wirkenden Gerausche Und hülle sich in allerfeinste Seide, Vertausche Dich Freud, sag ich dem Leide. |