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Aus »Orpheus. Tragödie«.   Vers 53784 bis 53843

DRITTER AUFZUG. DRITTE SZENE


Orpheus, Ampelos, Mänaden.

ERSTE MÄNADE: Wer lehnt gelassen an dem Königsborne?
Wie Bakchos scheint er selig und betrunken.
Wir schaun den Knaben einmal an von vorne,
Oft wills die Furcht, daß einer so versunken.

ZWEITE: Ein hübscher Kerl, unkundig wohl der Maße,
Er ließ sich bei dem Trunke mächtig gehen,
So einen findst du nicht in jeder Straße,
Doch leider kann er seinen Mann nicht stehen.

DRITTE: Dies käm auf den Versuch an, meine Schwestern,
Der Weingott liebt die Räusche vielgestaltig,
Ich fand so einen Zecher grade gestern,
Der übergab sich und war dann gewaltig.

VIERTE: Was wartet ihr? Nichts wie ihm auf die Pelle,
Er wird uns schon nicht allzu arg bekleckern,
Nur wer das Glück erfaßt und zwar das schnelle,
Hat hinterher auch keinen Grund zu meckern.

ERSTE: Ich hab zuerst erspäht das Abenteuer,
Drum bin ich auch beim Streicheln hier die erste,
Wir werden sehn, ob sich erhebt das Feuer,
Daß liebestoll die feste Kruste berste.
(tätschelt Orpheus das Haupthaar.)

DRITTE: Mit solcher Sanftheit ist da nichts zu machen!
Drück ihm die Brüste fest in seine Nüstern!
Soll einer aus dem Vollrausch dir erwachen,
So nutzt es nicht, ins Ohr ihm was zu flüstern.

AMPELOS: Ihr Schönen, mein Kumpan ist wenig päßlich,
Drum mögt ihr an den Frischeren euch halten.

ZWEITE MÄNADE: Wir brauchen keinen Bock, der derb und häßlich,
Wir wollen uns erwärmen, nicht erkalten.

FÜNFTE: Was für ein seltnes Paar ist da am Saufen,
Ein geifernder Verlebter und ein Junger,
Es scheint, als wollte wer den andern kaufen,
Doch weil der durstig, blieb ihm selbst der Hunger.
(Alle lachen und schmiegen sich an Orpheus.)

ERSTE: Der muß doch etwas merken, alle Männer
Sind da empfindlich, wenn sie keine toten.

ZWEITE: Ich glaube, diesen vollgesoffnen Penner,
Weckts nicht einmal, die Knochen ihm zu schroten.

DRITTE: Dann ist es Pech, man komme eben früher,
Eh dieser Schelm so dreist den Schenken spielte.

VIERTE: Ein neuer Tag, und wiederkehrt der Blüher,
Der Pfeil trifft manchmal später als man zielte.

AMPELOS: Den Wein nicht pönt, er ist gewißlich heilig.
Sein Reich ist nicht das eure, meine Schnepfen.

ERSTE MÄNADE: Man trinke gut, doch trinke man nicht eilig,
Es sei denn, es gefällt an euern Näpfen.

FÜNFTE: Zumindest ist im Wein Geschmack vorhanden
Daß er nicht solchem Klepper macht gefügig!
Vielleicht auch war er schal und abgestanden?

ERSTE: Nun aber los! Verlaß die Straße zügig!
Hast du verstanden? Du sollst hier verschwinden!
Man rufe wider dies Geschmeiß die Wache.

AMPELOS: Dies ist gewiß nicht nötig zu befinden,
Weil grußlos auf den Heimweg ich mich mache. (Ab.)

DRITTE MÄNADE: Der Vollmond steigt, die Brunft ruft in den Straßen,
Drum laßt uns keine weitre Zeit verschwenden,
Der Wein macht scharf, doch nur in rechten Maßen,
Sonst herrscht die Blase einsam in den Lenden.
Das Fazit bleibt die schlaffgesoffne Rute
Am Hübschling, zu verwechseln einer Leiche,
Allein bei Hengsten wiehert eine Stute
Und sie verlangts nach keinem andern Reiche.
(Alle Mänaden ab. Vollmond über den Zypressen.)