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Aus »Orpheus. Tragödie«.   Vers 53692 bis 53783

DRITTER AUFZUG. ZWEITE SZENE


Orpheus, Ampelos.

AMPELOS (mit einem Krug Wein):
Da sitzt du einsam, wettertrüb und neblig,
So stumpf, daß dir die Züge fast entglitten.
Doch welch ein Glück! Du wartest nicht vergeblich,
Grad kommt ein guter Freund dahergeschritten.

ORPHEUS: Ein guter Freund? Ich bin mir völlig sicher,
Noch niemals hab ich den Geselln gesehen.
Enttäuschen muß ich dich, doch fürchterlicher
Wärs, blieb dein Irrtum unerhellt bestehen.

AMPELOS: Ich bin der Freund von allen die verlassen,
Wer mich nicht kennt, der wird mich bald schon kennen,
Du sitzt so ohne Hoffnung auf Terrassen,
Doch bald soll deine Leuchte wieder brennen.

ORPHEUS: Wie ist zu tun, daß ich befreit und heiter?
Fast lockt mich der Versuch zu diesem Truge.

AMPELOS (gibt Orpheus den Krug):
Zuerst ein guter Schluck, dann sehn wir weiter.
Ich habe guten Vorrat hier im Kruge.

ORPHEUS: Was ist da? Schaut nach Blut und riecht doch fruchtig,
Die Hekate braut solche dunklen Tränke.

AMPELOS: Ja, dieser Krug ist herrlich prall und wuchtig,
Ich bin dein Freund, denn ich bin dir der Schenke.
Es ist kein böser Geist, der dich verlocke,
Nur ein Einschleirer, der dich gibt dir selber.
Es ist der Wein. Von einem Rebenstocke,
Ganz dunkel der, doch mancher ist auch gelber.
Mein Gott hat diese Stöcke uns gegeben,
Und ihn zu ehren, wolln wir Weinlaub tragen,
Glaub mir er geht ans Böse, nicht ans Leben,
Drum sollst nicht lang nach einem Schlucke fragen.

ORPHEUS: Ich hab, ganz offen, finstere Erfahrung
Mit Bringern von Kultur aus fernen Landen,
Drum bleib ich lieber bei der Sitten Wahrung,
Sonst geht auch noch der Rest von mir zuschanden.

AMPELOS: Von Aristaios, denk ich, willst du sagen,
Der war so eitel wie ich freund den Armen,
Die Unverschämtheit soll dich nicht mehr plagen,
Für Hades schickt sich einzig das Erbarmen.

ORPHEUS: So ist er tot? Wie ist er denn gestorben?

AMPELOS: Gar heimlich sprang er wohl in eine Spalte
Für das Gerücht, Zeus hab ihn abgeworben,
Bevor er im Gesicht die erste Falte.
So gehts dem Eitlen, dem allein der Leute
Geschwätz ist die Substanz, die ihn beseligt.
Denk das Gelächter dieser wilden Meute,
Wüßt sie, daß sie ihn nun zu Tod befehligt.

ORPHEUS: Gelächter ist ein Gnadenstoß dem Härmer,
Ich will den Trunk aus deinem Krug nicht meiden,
Es macht den Armen ganz gewiß nicht ärmer,
Mit dem Gebräu von seinem Feind zu scheiden.
(trinkt während es mählich dämmert)
Ein bißchen faulig, etwas wie verdorben,
Doch seltsam wie ein unbekanntes Reifen,
Nun hast du den Genossen angeworben,
Nun will ich den Geschmack auch ganz begreifen.
(trinkt erneut)
Mir werden taub der Gaumen und die Zunge,
Doch wächst der Durst und tuts bei jedem Schlucke.

AMPELOS: Nimm diesen nicht im allzukühnen Schwunge,
Sonst schläfst du ein und dies mit einem Rucke.

ORPHEUS (gibt den Krug Ampelos):
Man muß wohl lernen, diesen zu gebrauchen,
Das ist ja wie das Spiel auf meiner Leier.

AMPELOS (trinkt Orpheus zu):
Ja, in der Tat, dasselbe Untertauchen,
Die tiefe Lust und unbedingte Feier.
Es wäre schön, wenn du von deinem Schatze
Den Mund mir nicht nur wäßrig machtest. Spiele!
Dies macht gewiß aus der Satyrenfratze,
Daß sie nicht länger unverständig schiele.
(Er gibt den Krug wieder Orpheus.)

ORPHEUS (trinkt):
Ich will es dem Gefährten nicht verweigern,
Mein Teil zur guten Stimmung beizutragen,
So wie im Wein sich alle Sinne steigern,
Will ich den Hymnus auf ihn selber wagen.
Doch muß dazu die Leier ich neu stimmen –
Ob sie das Preisen nicht schon ganz verlernte?
Die Sonne sinkt. Und eh die Sterne glimmen,
Wachs unten Glut, die oben sich entfernte.
(singt bis die Nacht hereinbricht)
Es wohnt ein Gott im dunklen Saft der Rebe,
Er weiß Adepten köstlich zu begeistern,
Erlebe
Das Frohe nun im Dreistern.
Die Zunge schwillt, um dann sich ganz zu lösen,
Dem Leib gefällts, von innen sich zu tunken,
Die Bösen
Sind steif und niemals trunken.
Er mischt in uns die Wachheit mit Vergessen
So hold, daß wir uns ganz der Freude schenken,
Sag, wessen
Soll ich in Trauer denken?
Wer frei ward, muß nicht mehr die Knie beugen,
Er ist ein Gott, bewahrt von aller Schwere,
Wir zeugen
Das Traumreich in die Leere.
Wir rüsten uns und reihen uns im Tanze,
Wo die Musik wird Helferin dem Weine.
Im Glanze
Persephone erscheine!