Willkommen

Lebenslauf

Aktuell

Werke

Publikationen

Audio

Leserstimmen

Besucherbuch

Impressum
 
vorige Szene nächste Szene

Aus »Orpheus. Tragödie«.   Vers 53619 bis 53691

DRITTER AUFZUG. ERSTE SZENE


Brunnen vor dem Palast des Königs. Reger Schöpfbetrieb. Die Leute kommen und gehen. Nahebei ein Zypressenwäldchen.


Orpheus, Oiagros.

OIAGROS: Ich kann nicht länger ansehn deine Bleiche.
Du weißt, mein erster ward im Zorn erschlagen,
Ich mahne dich: Stell du die rechte Weiche,
Daß unser Haus sei froh in manchen Tagen.
Die Gattin hat den Erben nicht geboren,
Drum wird es Zeit sich wieder zu vermählen,
Die Frauen haben Augen, nicht nur Ohren,
Drum sollst mir von den Reizen nichts erzählen.
Ein alter Mann, der weiblos, ohne Kinder,
Taugt nicht nur nicht zum König, ganz erbärmlich
Verhöhnt er das Geschlecht und seine Lenden,
Das Haus nennt einzig ein Olympier ärmlich,
Drum laß uns rasch das böse Schicksal wenden.

ORPHEUS: Sie wartet mein im Hades, also sollte
Das Licht auf diesem Leibe rasch versiechen,
Wenn je ein Gott das Glück des Hauses wollte,
Müßt ich nicht wie ein Hund am Brunnen kriechen.

OIAGROS: Den Göttern setze keine Fragezeichen
Der Sterbliche am Kreuzweg und im Ringe,
Mal lassen sie Unmögliches erreichen,
Dann wieder spürst du nur die dunkle Schwinge.
Was sie uns wollen, such nicht auszumachen,
Es bleibe dir verborgen, was entschieden,
Doch steht am Ende allen Grams das Lachen,
Und dem Gemetzel folgt der goldne Frieden.
Dir stehts nicht an, der Besserung zu harren
Als Tatenloser, der sich selbst betrachtet,
An Unverdientes glauben bloß die Narren,
Drum sag dem Volke: Schaut, was ihr vollbrachtet!
Vom Prinzen wird verlangt, daß er sich binde,
Die Totentreu ist eine blöde Grille,
Die Trauerzeit ist um, daß man sich schinde,
War niemals Götter- oder Schicksalswille.

ORPHEUS: Vor Hades sagt ich aus und stand gerade,
Der Baum hat tausend Jahre um zu blühen,
Ich freite eine junge Oreade
Und brachte sie zum Tod, zum schmählich frühen.
Das mindeste, was ich ihr dafür schulde,
Ist unvermählt zu bleiben, bis ich sterbe,
Drum hoffe nicht, daß ich Verändrung dulde,
Halt anderorten Schau, daß dir ein Erbe.

OIAGROS: Ich wollt es allzu deutlich nicht bekennen,
Doch deinen Starrsinn endlich aufzuweichen,
Will ich dir jetzt den wahren Grund benennen,
Daß ich nicht zähle zu den Kinderreichen.
Als du geboren, kam ein böses Fieber,
Ein Schnitt nur hat die Kreißende gerettet,
Du wurdst ihr letzter, also hör, mein Lieber,
Ich ward an meine Söhne so gekettet.
Der eine starb, der andre will nicht zeugen,
Soll ich die Mutter also drum verlassen?
Ists besser, einer Zweitfrau sich zu beugen,
Weil alt und jung so gut zusammenpassen?
Plädierst du für die dritte Variante,
Das Haus stirbt aus, es wird sich einer finden,
Vielleicht gibts gar auf Inseln noch Verwandte,
Die sich das Palmblatt auf die Stirne binden?
Es hängt an dir, da gibt es kein Verrücken,
Enttäusch die Baumfrau, richt das Haus zugrunde,
Du kannst dich um Entscheidung nicht mehr drücken,
Das ist im Volk schon längst in aller Munde.

ORPHEUS: Ob dieses Haus soll tausend Jahre dauern?
Obs hehrer als das Lebensglück der Eibe?
Wer sagts? Wer kanns gewichtig untermauern?
Wer wagts, daß er ein Tausendjahr beschreibe?
Ich kann die Götter nicht um Rat befragen,
Ich habe sie verflucht und ihren Boten
Besonders und so bleibt mir nur zu klagen
Und mich zu sehnen nach dem Abendroten.

OIAGROS: Die gleiche Leier stets, du gehst im Kreise,
Treppauf, treppab, und immer die Oktave,
Dasselbe Lied und stets auf gleiche Weise,
Ich hörs sogar schon mitternachts im Schlafe. (Ab.)