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Aus »Orpheus. Tragödie«.   Vers 53082 bis 53165

ZWEITER AUFZUG. DRITTE SZENE


Orpheus, Charon.

ORPHEUS: Der Weg ist kinderleicht mit diesem Boten,
Er führt mich durch die Windungen und Klüfte,
Mal wird zur Klamm der Rauschepfad der Toten,
Dann wieder strömen Köhlereiendüfte.
Da tropft die Sole, bildet sich ein Zacken,
Dort wirbelt aus dem Loch ein Flügelschlagen,
Säß mir der Abschied nicht als Herr im Nacken,
Würd mancher Glimmer meinem Aug behagen.
Ich hab nicht Sinn für Blenden und Kristalle,
Die Stalaktiten sind nur Widerstände,
Grad wieder weitet sichs zur größern Halle,
Der Zorn beherrscht die Füße und die Hände.
Jetzt hör ichs rauschen, tief und unermeßlich,
Ein Strom, er schiebt sich machtvoll seine Straße,
Am Ufer steht ein Mann, der alt und häßlich,
Noch niemals fand ich dies in solchem Maße.
Gleichwohl, der Stab verlangt, ihn anzusprechen,
Drum will ich diesen Kelch nicht von mir weisen,
Wohl Mühe machts, das Schweigen hier zu brechen,
Das schwer wie Blei und festgefügt wie Eisen.
(singt):
Wo Tropfen Zeit und Stromes schweres Rauschen
Die Ewigkeit, das Unabänderliche,
Muß tauschen
Die Seiten, wer verbliche.
Der Fährmann steht mit hartem Schuh am Kahne,
Die Stake gibt er nie aus seinen Händen,
Ich ahne,
Dies würde manches wenden.
Den Pakt, der seine Schuldigkeit bestallte,
Hat er vergessen in dem langen Amte,
Der Alte
Weiß nicht, woher er stammte.
Er weiß auch nicht, wozu das Wissen fruchtet,
Da nichts den Auftrag jemals brems und änder,
Zerbuchtet
Sind seines Augs Geländer.
Daß jemand käm und riefe ihn beim Namen,
Der liegt in einem Schrein bei Wiegenwimmern,
Es kamen
Nur Schemen, die ihm schimmern.
Doch einmal wird ein Lied auch ihn erreichen,
Das ihn beseligt, daß er wie Verliebte
Entweichen
Das Korn läßt, das er siebte.

CHARON: Was ist das für ein seltsam süßes Singen?
Es läßt so viele Jahre mir verfließen.
Die Gabelweihe breitet ihre Schwingen,
Ich seh im Grün den blauen Krokus sprießen.
O weh, was hält das weiße Haupt zum Narren,
Als wärs ein Jüngling, der am Weiher flötet?
Was läßt mich wie ein Kalb ins Tote starren
Und ahnden, daß ich selbst schon lang getötet?
In Sturheit flöß ich tag und nacht und frage
Wohin woher nicht, und ich bins zufrieden,
Wird nicht zu laut die allgemeine Klage,
Die diesem Ort von jeher ist beschieden.

ORPHEUS: Aus Nacht bist du und Finsternis geboren,
Doch so geschiehts auch jeder Glockenblume,
Die feuchte Erde nimmt was abgeschoren,
Und gibts zurück, dem Licht zu höchstem Ruhme.
Wenn du so alt und grämlich bist beisammen,
So bringt dich bloß die Münze in die Lage,
Gehst du dahin, woher die Gelder stammen,
Wirds seltsam dir, daß einer sich so plage.

CHARON: Aha, ich soll den ganzen Kram vergessen
Und steigen in die ungebremste Helle?
Ich fände dort ein kleines Haus und Essen?
Ich litt nicht mehr des Kerberos Gebelle?

ORPHEUS: Bring mich hinüber, daß ich dir verrate,
Was du erreichen kannst und was gewinnen,
Vor allem Tun Gewißheit steh als Pate,
Sonst reuts dich rasch, Verändrung auszusinnen.

CHARON: So zahle, denn wer meinen Teil verweigert,
Irrt heulend hier am Ufer alle Nächte,
Beeile dich, eh Mond die Fluten steigert,
Weil ich sonst noch an einen Aufschlag dächte.

ORPHEUS: Ich zahle, auf der Überfahrt zu schweigen,
Und du wirst immer Fährmann sein und Sklave,
Die Schatten werden anstehn und sich neigen,
Und nie geschiehts, daß du vermißt die Schafe.

CHARON: Wohl besser so, denn in der Hand den Spatzen
Zieh ich der Taube vor, die auf dem Dache,
Das Lied vermag am rauhen Pelz zu kratzen,
Doch Aufruhr ist nicht meines Alters Sache.
(Orpheus zahlt und wird übergesetzt.)