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Aus »Orpheus. Tragödie«. Vers 53166 bis 53273 ZWEITER AUFZUG. VIERTE SZENE Orpheus, Zypressen. ORPHEUS: Zypressen seh ich, einzeln und in Reihen, Im Gegenlicht erscheinen sie viel schwärzer, Wo es doch heißt, die immergrünen seien Langlebig und der Traurigkeiten Merzer. Sie wachsen kaum noch merklich, wenn die Jugend Verflossen ist und schließen dicht die Schuppen, Daß sie uns stehn wie Fraun in harter Tugend Und eine Galerie von Falterpuppen. Sie werden mir nicht sprechen, doch ich glaube Sie hören, was ich ihrem Flüstern singe, Zwar weist mich ab die fest geschloßne Haube, Doch möglich, daß ein Zeichen ich entringe. (singt): Ich wandle an der abgewandten Seite, Die man vom Monde wird wohl nie erschauen, Ich breite Die Arme voll Vertrauen. Gar züchtig scheint ihr Jungfraun, euer Orden Die Lilie führt im Wappen und die Taube, Geworden Seid ihrs aus Furcht vorm Raube. Auch meine Liebe aus der Eibenkrone War rein und lind und haßte Hatz und Nessel, Zum Lohne Stach tief ein Wurm die Fessel. Sie fiel und muß allein im kargen Schatten So fern von meinem Honighort verkümmern, Die Satten Sind freundlich meist den Dümmern. Doch ihr, die durstig ihr nach einem Grane Beachtung, grüßt, daß mein sich wer erbarme, Ich ahne Die Zartheit eurer Arme. Zwar werd ich euch nicht nahn und wohl es achten, Daß ihr das Kleid euch rafft zu fester Schürze, Ihr Sachten, Gebt meinem Pfad die Kürze! Ich will zum Herrn der sonnenlosen Heide Und seiner Frau, die mitfühlt mit Entführten, Daß beide, Den Schmerz des Sängers spürten. Gedieh mir das Geschenk Apolls zum Ruhme, So will ich auch das härtste Herz bewegen, Die Blume Mir wieder heim zu legen. ZYPRESSEN: Im Kargen, aber ohne Sturm und Fröste Beschweigen wir den abgeschiednen Garten, Wer müd geworden, daß ihn Helios röste, Der lernt bei uns das Dulden und das Warten. Wir warten nicht, weil unsre Herzen hoffen, Daß das Gesetz, das uns bezwingt, veraltet, Wir sind nur für das Unbestimmte offen, Das über aller Herrschaft steht und waltet. Wir neiden nicht der Jugend Adlerschwingen, Selbst wo sie fehlt, ist Fürsprech unsre Sache, Wir hören dich so gern im Garten singen Und wünschen, daß Eurydike erwache. ORPHEUS (singt): Ich ließ die Braut, zu jagen nach dem Vliese Des Zeus im fern gelegnen Kolcherlande, Nun kiese Ich dafür Schimpf und Schande. Ich fühle mich vom Himmel überlistet, Der eine Blume köpfte vor der Blüte, Es nistet Mir Aufruhr im Gemüte. Mein Lied ward Groll und meine Stimme bitter, Ich sing den Göttern nur von meinen Schmerzen Ein Splitter Mir eitert überm Herzen. Und was da singt, soll folgen mir im Chore Und klagen wie mit meinem wunden Munde, Im Ohre Der Götter welk die Stunde. Denn ihnen ist die Herrschaft überlassen Den Äon lang doch nicht für alle Welten, Sie prassen, Als könnt sie niemand schelten. Dies aber wird einst Klagelied und Reue Für Donner, Dreizack oder Hadeskappe, Im Heue Verbrannt schon mancher Rappe. Drum ists, wenn meiner Klage sie Erhörer, Nicht gänzlich frei von einem Eigennutze, Empörer Beschwichtigt man zum Schutze. Wird aber kein Erfolg dem Sängergrollen, Als Knecht er euch nicht länger weiterliefe! Soll rollen Mein Haupt doch in die Tiefe! Euch aber ruf zu Bürgen ich und Zeugen, Wie ich die Schwestern rief im Sonnenhellen, Denn beugen Kann niemand mich, nur fällen! ZYPRESSEN: Im Abseits aller Welt, wo das Vergessen Sich breitet in den Schatten, die flanieren, Bewahrt allein das Hartholz der Zypressen Und duldet nicht, daß alle bloß verlieren. Man hält uns für Dekor und blasse Tröster, Jedoch wir bergen mitten im Verdampfen, Wir sparen, wo der Tauverschwender größter, Sich rühmt, daß seine Rosse nächtens stampfen. Doch wo Bewahrung sich bescheiden igelt, Ist Großmut auch, die Regel zu beschränken, Sie halte uns für rhythmisch aufgewiegelt, Doch unser Zeugnis muß die Nacht bedenken. Wir werden dich zum Herrn der Weide bringen, Der glücklich uns den Dichterfürsten mache, Wir hören dich so gern im Garten singen Und glauben, daß Eurydike erwache. |