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Aus »Medea. Tragödie«.   Vers 51155 bis 51278

ERSTER AUFZUG. SIEBENTE SZENE


Medea, Peritta, Aietes.

PERITTA (räuchert und psalmodiert):
Dir singen wir du wundersame Leuchte,
Die Wölfe weckt und uns das Blut erneuert,
Erst wenn die Nacht des Tages Zorn verscheute,
Der maßlos Kraut und Dünensand verfeuert,
Erwachst du uns zum Horn und zum Pokale
Und gibst uns Zeit, das Antlitz tief zu schwärzen.
Du schaffst die Mitte unserm offnen Saale,
Darin wir brennen als geweihte Kerzen.
Du milderst die Gedanken still und fraulich,
Du bist der Reim und aller Weisheit Reigen,
Du machst das Dunkel nektarsüß und traulich
Daß sich die Zeichen deiner Botin zeigen.
Wir wandeln uns zu Pfeilern und Rosetten
In deiner Fahle, die uns spornt zur Rache,
Wir haben uns befreit von allen Ketten,
Darum uns mondenweiß und furchtlos mache.

AIETES (tritt auf):
Mein Kind, die Umständ unsres Wiederschauens
Sind gräßlich, doch sie trüben nicht die Freude,
Daß du gefaßt und göttlichen Vertrauens
Beweist, daß ich die Schritte nicht vergeude.

MEDEA: Die Wege als erfolgreich zu erkennen,
Erfordert, daß das Ziel des Laufs man wisse,
Drum solltest erst du dein Begehr mir nennen,
Daß nicht ein Schmerz gehegten Trug zerrisse.

AIETES: Das ist doch klar, ein Ende der Gefahren
Für Volk und Reich erstreben meine Schritte
Ich mußte mich Absyrtus offenbaren,
Nun bist du in dem Königsbund die dritte.

MEDEA: Und welcher soll als Drachenbraten taugen,
Der Erb, der König oder doch die Schlampe?
Denn wer am Kreuzweg steht mit offnen Augen,
Vergißt die Zwille nicht und nicht die Krampe.
Es ist doch schon beschlossen, abzugeben
Das Vlies, weil Krieg den Untergang bedeutet,
Drum sag: Wem geht es dieses Mal ans Leben
Und wer wird für das Echsentier gehäutet?

AIETES: Was sind das für absurde Rituale,
Um einem Scheusal Tränen zu entlocken,
Ich denk, es reicht auch eine Marmorschale
Mit Schweinefleisch, den mürben Wart zu blocken.
Mein Leibarzt könnte dich zur Ader lassen,
Damit wir das Geruchsorgan noch blenden,
Doch bitte schweig vom Blutigern und Krassen,
Sonst können wir auch das Gespräch beenden.
(Durch eine Scharte dringt ein gefiederter Pfeil und bleibt vor Aietes liegen.)
Was soll das? Ja der hätt mich fast getroffen,
Weß Frevlerhand entheiligt diesen Tempel?

MEDEA (abwinkend):
Das Zeichen, daß die Worte sich verstoffen,
Hier trennt das Tatwort sich vom Lautenkrempel.
Ich bin verhindert, nur für kurze Weile,
Peritta wird ein starkes Bier dir reichen,
Ich hoff, du bist nicht allzusehr in Eile,
Dies ist ein Ort der Winke und der Zeichen.
(Ab. Peritta bringt Bier und beginnt zu tanzen.)

AIETES (trinkt):
Ich bin schon alt und habs nicht weit zum Grabe,
Doch weise werd ich wohl nicht mit den Jahren,
Und was ich jung niemals begriffen habe,
Das werd ich wohl auch alternd nicht erfahren,
Die Mädchenspiele, diese Rätselglücke
Um Blütenblätter, Reifen, Nadelstiche,
All das Getu mit einem Ruch von Tücke –
O brächte mich der Himmel auf die Schliche!
(zu Peritta):
Sag, Tänzerin in diesem dichten Nebel,
Wärs möglich, daß man mal ein wenig lüfte,
Der Rauch, euch Lust, ist mir ein herber Knebel,
Denn ziemlich anders wähl ich selbst die Düfte.

PERITTA: Schaut nach dem Mond, dann wird er euch erhellen
Den Atem und die Schau auf alle Dinge,
Wir bitten diesen lieblichen Gesellen,
Daß die Befreiung ungetrübt gelinge.
(Ihre Verzücktheit wirkt deutlich übertrieben.)

AIETES: Befreiung ja, die Schiffe zu verpesten,
Wär wohl ein Coup, der Rettung uns verbürgte,
Doch stehts in diesem Reiche nicht zum Besten,
Wenn man den König mit Gestank erwürgte.
(Er zieht sein Schwert.)
Drum Göre hör, ich stehe und befehle:
Heb dich empor und schnall den Gurt vom Laden!
Und quälst du mir noch weiter meine Kehle,
Schick ich dich zu den Würmern und den Maden.
(Peritta gehorcht, und der Dunst löst sich auf. Nach einer Weile kommt Medea bluttriefend zurück.)

MEDEA: O König, wozu Schwert und laute Worte?
Die Dinge werden gut in aller Stille,
Kein Zufall führte euch zu dieser Pforte,
Auch euerm Sohn ward nun der letzte Wille.
Er starb mit einem Fluch, dies zu verkünden,
Ist meine Pflicht, auf Reich und Königskrone,
So wie die Dinge hier im Lande stünden,
Wärs besser, daß im Totenreich man wohne.

AIETES: Was sprichst du Tochter, haben dich die Schmerzen
Um deinen Bruder überstellt dem Wahne?
Du liebtest ihn doch stets von ganzem Herzen.
So ist es wahr? gefallen bei der Fahne?
Er huldigte dem Wahn, er müsse sterben
Um dieses Leid von unserm Land zu heben.
Er ging für unsern Frieden ins Verderben –
Wer mag bei solchem Opfermut noch leben?

MEDEA: Er starb, das Vlies den Griechen zu vermachen,
Doch nicht für dich die Würmer ihn benagen,
Was Elfenbein und Gold und edle Sachen
Wird grad aus dem Palast herausgetragen.
Ich hab den Hänfling selber kleingeschnitten,
In einem Korb die Stücke abgewunden,
Dort kam sogleich ein Grieche hergeschritten
Und hat die Wunderwaffe vorgefunden.
Dies ist geschehn, daß ich als große Dame
Komm in das Land, wo dieses man verachtet,
Die bittre Reu sei dir mein Mädchenname,
Du hast dir selber dieses Grab geschachtet.

AIETES (in höchster Aufregung):
Medea, ich beschwör dich bei der Mutter,
Sie starb für dich, halt unser Haus in Ehren.

MEDEA: Mußt du erst anschaun selbst das Drachenfutter,
Daß dich die Wahrheit furchtbar kann belehren?
Die Mutter fiel nicht jener, die geboren
Nie wollte sein, die ungefragt gestoßen,
Nur du allein hast sie dem Tod erkoren,
Mit dem Geschlechtstrieb, mit dem rücksichtslosen.

AIETES (fuchtelt mit dem Schwert herum):
Die ganze Bude stinkt nach bösen Kräutern,
Ich werde systematisch zum Verrückten,
Die Toten wider alles Leben meutern,
Die Götter sich vorm Vipernzischeln bückten –
(Peritta hält ihm von hinten den Dolch an die Kehle.)

MEDEA: Verschwinde Narr, du kreischst wie immer peinlich,
Hier ist kein Platz für solche Kreaturen,
Hier wirds erst wieder mädchenhaft und reinlich,
Hat man gescheuert die Tyrannenspuren.
Zieh ab, Versager, du beschmutzt die Bühne,
Erbärmlich warst du immer, aber heute
Kriegst du vielleicht den Vorgeschmack der Sühne,
Dies gelt als Warnung für die ganze Meute.