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Aus »Medea. Tragödie«.   Vers 50863 bis 50926

ERSTER AUFZUG. DRITTE SZENE


Medea, Peritta.

PERITTA: Der Held der Fremden hat dir wohl gefallen?
Nicht oft hört man so säuseln die Gestrenge,
Er kündet den Gelandeten jetzt allen,
Bei diesen Mädchen bräucht es keine Zwänge.

MEDEA: Peritta, immer bis zur nächsten Ecke
Schaust du und keine einzge Elle weiter,
Im Augenblick allein entdeckst du Zwecke,
Doch eine Sprosse macht noch keine Leiter.
Du meinst, ich tändle grade zum Vergnügen,
Such ich Gefahrn zu deuten und zu wehren,
Dir mag die Lust des Unterleibs genügen,
Ich aber trag zu Höherem Begehren.
Erst wenn die Wände rings zusammenschlagen,
Spürst du die Hohlheit unter dem Geplänkel.
Du freust dich, daß der Korb so leicht zu tragen,
Und merkst nicht, daß dein ganzes Glück der Henkel.
Was meinst du wohl, wie wurde die Ruine
So wohlfeil, daß uns keiner drum befehdet?
Glaubst du, sie fiel wie eine Apfelsine
Vom Baum, weil du so allerliebst geredet?

PERITTA: Der König machte sie dir zum Geschenke,
Sein Reich ist groß, ihm wird dabei nichts fehlen,
Wir schrubbten lang die Fliesen und die Bänke,
Ein Staubreich wars, ein Haus der toten Seelen.

MEDEA: Und warum hat der König dies gegeben?
Nicht grade häufig siehst du ihn als Spender.

PERITTA: Die Tochter ist ein Stück von seinem Leben
Und erbt den Hof dereinst und alle Länder.

MEDEA: Wer hat dich solche Ammenmärn gelehret,
Der treue Vater sorgt für seine Kinder?
Die Tochter lebt, bis sie sich mal beschweret,
Dem Ungehorsam ist der Herr der Schinder.

PERITTA: So sag mir halt, wenn ich so bildungsferne,
Warum hat uns der König so begnadet
Und auch, warum ers nun zurückhätt gerne,
Und was ihm die bisherge Nutzung schadet.

MEDEA: Das Vlies, Peritta, wollt er gut verwahren,
Solang mein Zauber diesen Dienst verrichtet,
Schützt dieser Turm mich selbst und meine Scharen,
Doch wehe uns, wenn diese Macht vernichtet.
Wer will denn wissen, ob die fremden Streiter
Nicht über stärkre Himmelsmacht verfügen?
Sie nennen ihre Götter licht und heiter.
Wer weiß, ob meine Künste noch genügen?

PERITTA: So suchst du sie versöhnlich uns zu stimmen,
Bis du von ihrer Macht genaure Kunde.
Medea, hüt mein Herz vor allem Schlimmen,
Bis in den Tod sei ich mit dir im Bunde!

MEDEA: Verzwickter noch zeigt sich die ganze Lage!
Ich kann den Bann mit meinem Tode lösen.
Erweist sich der Besatzer uns als Plage,
Vielleicht geht dann der König mit den Bösen.

PERITTA: Das wäre Arglist wider deine Treue!
Ich denk, das kann er ernstlich nicht erwägen.

MEDEA: Im Denken immer das Unmöglich scheue,
Den Stamm zu retten, kann den Ast man sägen.

PERITTA: O weh, wird dir Absyrtus denn verraten,
Wies steht bei Hof und was man geht für Wege?

MEDEA: Ob er, ob ich? Wer dort den bessern Paten,
Nicht allzu fest das letzte Urteil lege.

PERITTA: Mir schwindelt. Daß der Willkür keine Dämme,
Nimmt mir den Boden. Deiner Weisheit bitte
Ich alle Götter, die ich irgend kenne,
Daß nicht die Unschuld den Despoten litte.