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Aus »Medea. Tragödie«. Vers 50738 bis 50862 ERSTER AUFZUG. ZWEITE SZENE Jason, Medea, Peritta. PERITTA: O wehe! Tritt der Mann in die Gedanken, Schwingt leibhaft bald der Grobian seine Keule! Medea schau, ich seh die Ampeln wanken Und rieche den Spion an dieser Säule. JASON (tritt aus dem Schatten der Säule): Ich wollte nicht die Turnerinnen stören, Der Wehrturm schien mir als ein Waffenlager, Zu lauschen den verwunschnen Mädchenchören, Die Säule war ein weniges zu hager. MEDEA: Was suchst du Waffen, wo wir alle friedlich Und keinem Gut und Lebensfreude neiden? Doch unsre Wünsche sind wohl unterschiedlich? Du hebst das Schwert, daß Kind und Mutter leiden. JASON: Es steht mir fern, die Lande zu verheeren, Allein mein Oheim klagt zurück das Seine, Wollt ihrs dem Gast nicht ungerecht verwehren, Scheid ich schon morgen mit dem Mondenscheine. MEDEA: Was ist es, daß dein Oheim hier verloren? Ganz unbekannt erscheint mir deine Sippe. JASON: Im Traum kam ihm der Götterspruch zu Ohren, Daß Phrixos flog dereinst zu dieser Klippe. Da Zeus dem Widder schuf die Himmelsflügel, Daß der ihn trag aus mörderischem Grolle, Gab er dem Gott das Fleisch auf diesem Hügel, Doch aufbewahrt ward des Gehörnten Wolle. An mir ists, dieses Wunder seinem Erben Zurückzubringen, daß ers heg und pflege: Das Vlies zu schaffen oder stolz zu sterben, Ich schwors, und keiner hält mich auf dem Wege. MEDEA: Wie habt ihr vor, das Kleinod zu erkennen, Ein Träumer und ein andrer der ihm lauschte? Gibts Fackeln, die in solchem Dunstkreis brennen, Daß nicht ein Schalk das Widderfell vertauschte? JASON: Ich weiß gewiß, ich bin im rechten Lande, Die Weiblein raunten mir von einem Drachen, Sind auch gepanzert Kragen und Gewande, Er wird nur bis zu meiner Ankunft wachen. MEDEA: Ihr wollt den Drachen im Gefecht erlegen? Dies zeigt, ihr habt kein Gran von ihm gerochen. Was setzt ein Mann dem Brandorkan entgegen? Ehs er ersänn, zerbersten seine Knochen. JASON: Wird mir kein Sieg, so ist der Tod das beste, Zuhause könnt ich nimmers Aug erheben, Man wies auf mich grad wie auf Speisereste, Er bettelte vorm Feinde um sein Leben. MEDEA: Was ist das für ein Haus, wo das Verrückte Verlangt wird wider Aug und Ohr und Nase? Die Himmelsgöttin, die die Mutter schmückte, Schafft manchenorts dem Wandrer die Oase. Ich rate euch, laßt die in ihrem Wahne, Die euch gegart um eitle Kleider hätten, Die Welt ist offen euch und euerm Kahne, Die Treue ist ein andres Wort für Ketten. JASON: O nein, mit Hellas kann kein Licht sich messen, Barbarisch scheint mir jeder andre Hafen, Nur Lethe läßt den hohen Traum vergessen, Und nur im Hades kann man ihn verschlafen. MEDEA: Was ist an diesem Land so eigentümlich, Daß Männer werden kindisch und verblendet, Erscheint dem Opfer gar die Hoffahrt rühmlich, Die rettungslos es ins Verderben sendet? JASON: Es ist das Licht, wenn Nordwind treibt die Barken Durchs Veilchenfarbne und das Grün des Weines, Der Rost der Felsen setzt metallne Marken Ins Farbenspiel des Meeres und des Haines. Die Götter gehn in Reinweiß und azuren, Die Dinge klar und nah am Transparenten, Und alles Leben hügelt sich zu Spuren, So prall wie fein und schmerzhaft dem Getrennten. Hier hob sich aus dem dämmrigen Vergessen Die Linie, die dem Denken setzt die Schärfe, Hier übt sich jedes Kindesaug im Messen, Im Urteiln, was der Morgentau verwerfe. Das Kleinste sucht die Anmut zu gefallen, Der Stil bleibt souverän sogar im Buntsten, Hier spricht man mit Musik, die sich kristallen Abhebt von allem ungeschult Gegrunzten. Hier weiß man, daß die Mitte aller Mitten Den Göttern wohl, daß sich ihr Spiel erzähle, Und wie sie selbst verfeindet und zerstritten Sind hohen Muts die hellen Archipele. Doch ist der Krieg für uns kein greiser Schlächter, Das Haar gekämmt, mit Rosenduft und blanken Schildbronzen singen wir als Todverächter, Und unsre Linien werden niemals wanken. Wir fassen nicht die Welt als Not und Pause, Wir schaun das Gold im Starken wie im Siechen, Das Licht des Ida wurde Raum zuhause, Es nistet, wo es Wasser gibt und Griechen. MEDEA: Die Leichtigkeit, sich in die Welt zu lagern, Gefällt mir wohl, wo Kargheit uns das Muster, Sie zeigt sich in den Wägern und den Wagern Und macht das Los, wie es auch fall, bewußter. JASON: Die Götterkämpfe sind nicht nur Geschichten, Sie zeigen Stufen, daß die Welt gedeihlich Dem, ders versteht, Vergrabenes zu lichten, Die Schrift zu sehn, wie wahrspricht doppelzeilig. Weil dies allein in Griechenland gelungen, Auf einer Höh, die später wohl Legende, Hab ich die Argonautenschar gedungen, Daß sie das Vlies in unsre Heimat sende. MEDEA: Wie seltsam rührt mich diese Wunderkunde! Ihr liebt euch frei, so wurde mir berichtet, Und für die Freiheit geht ihr gar zugrunde Im Troste, daß der Sänger dies bedichtet. Bei uns heißt Not die Meisterin des Tages Und Freiheit ist ein Ding für Lebensmüde, Wir weihn uns nicht dem Vogelsang des Hages, Denn was uns treibt, das treibt gemeinhin rüde. JASON: Mich wundert euer Wort, denn dieser Reigen Von Mädchenstimmen scheint mir nicht geschuldet Der Strenge, welche Lebenshüter zeigen, Von denen keiner Kapriolen duldet. MEDEA: Ja, in der Tat, des Turmes morsche Feste Gab ein Refugium für ein holdres Hoffen, Ich denk nicht dran, auf welchem Fluchpodeste, Noch, daß der Ausgang dieser Szene offen. Ihr solltet, eh wir endlos weiterschwätzen, Euch auf den Weg zu den Gefährten machen, Ich weiß bescheid, ihr sucht den Widderfetzen, Ich denke nach, was möglich bei dem Drachen. JASON: Ich danke euch und werde den Gefährten Vertrauen, daß im Turm die Weisheit wohnte, Wir suchten ein paar Früchte in den Gärten, Seid sicher, daß ich jeden Grashalm schonte. (Ab.) |