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Aus »Medea. Tragödie«.   Vers 51723 bis 51782

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Mermeros, Pheres, Medea, Gora.

MERMEROS: Was schreit da so? Wie furchtbar ist die Klage!

PHERES: Ein Vogel? Oder Geister im Kamine?

MEDEA: Dies war das Zeichen! Fortzuschreiten wage,
Und unerschrocken deinem Sterne diene!
(zu den Kindern):
Was fürchtet ihr? Die Mutter bringt zu trinken.
Das wird euch wohltun und den Alp vertreiben.
Bald seht ihr Traumgold überm Bette blinken.
Zagt nicht, euch an dem süßen Saft zu weiden!

GORA (weist mit einem Schwert auf den Krug):
Zurück Medea! Bis zu dieser Stelle
Bin ich gefolgt im Hoffen und im Wehe,
Auf diesen Sims das Giftgebräu hier stelle,
Sonst spalt ich dich vom Scheitel bis zur Zehe.

MEDEA: Wie dir beliebt! Es ist kein Gift im Topfe,
Nur etwas Balsam für die wunden Seelen.
Solch ein Verdacht entspringt nicht klarem Kopfe!
Als würde eine Mutter jemals fehlen!
Nun meine Täubchen, es gibt nichts zu schlürfen,
Es wird verboten uns bei Todesstrafe,
Doch etwas schmusen werden wir wohl dürfen,
Bis alles Leid zerrinnen kann im Schlafe.
(Sie umarmt die Kinder und beschwört das Publikum):
Seht sie euch an, die Aug- und Windelnässer,
Sie soll kein Mann zu Kriegsmaschinen machen,
Nicht eine Frau bedroh ihr scharfes Messer,
Nicht solln sie Feuer in der Stadt entfachen!
Sie gehn zu meinen Göttinnen als Freie,
Die Sklaverei erspare ich mit Bluten,
Eh sie erfahrn von dem Palast der Haie,
Laß ich den Krug des Wassermannes fluten.
(Sie erwürgt Mermeros mit einer Seidenschlinge.)

PHERES: O Mutter, ist der Bruder schon am Schlafen?

GORA: Verruchte, deine Zeit ist abgelaufen!
(Sie stößt an den Krug, schlittert in der Pfütze, und das Schwert saust ihr davon. Sie eilt ihm nach.)

MEDEA: O ja, er ist im wonniglichen Hafen,
Drum sollst du gleich in seine Arme laufen!
(Sie erwürgt Pheres auf die gleiche Weise, lehnt sich zurück und sagt sehr fest):
So endet meine wiederholte Schwäche,
Die Wonnen der Gewöhnlichkeit zu suchen,
Und wenn verrinnen diese Wüstenbäche,
Bleibt keiner wach, dem Mutterschoß zu fluchen.

GORA: Ich habe dein Verbrechen nicht verhindert,
Doch meiner Rache sollst du nicht entrinnen,
Vergeblichkeit des Eisens Wut nicht mindert,
Denn Kerberos soll deine Künste minnen.
(Sie erschlägt Medea, die sich nicht wehrt.)
Dies also blieb von unserm Mädchengute,
Der König tot und ebenso die Kinder,
Die, der ich treu, verröchelt mir im Blute,
Doch wiewohl tot, beherrscht sie mich nicht minder.
Die Tötung seiner Kinder abzuwenden,
Der Mann schlägt seine wilde Frau in Ketten,
Die Drohung nur, sie müsse selber enden,
Kann solchen Plan nicht hemmen und nicht retten.
Vielleicht nahm ich mit meinem Schwert ihr Mühe
Mit eigner Kraft den Atem auszuhauchen,
Und wenn ich Blut auf ihre Kinder sprühe,
So bin ich wohl zum letzten Mal zu brauchen.
Ich frag mich: Gab es je in diesem Stücke
Die Möglichkeit zu anderm Schluß zu führen?
Ich glaubte nie, daß mir das Kunststück glücke,
Vermocht ichs auch, die Mischung umzurühren.
Der erste Mord war aller andern Rufer,
Und Einhalt schafft kein Tag bei solchem Töten.
Es gibt nicht mehr den Turm am Meeresufer,
Nun soll mein Blut die fremden Klippen röten.
(Sie geht langsam von Medea zu dem toten Kreon, dann zurück zu den Kindern und stürzt sich in ihr Schwert.)