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Aus »Medea. Tragödie«. Vers 51663 bis 51722 ZWEITER AUFZUG. SECHSTE SZENE Kreon, Jason, Kreusa, Mermeros, Pheres, Medea. KREON: Ihr wißt, warum ich euch so spät noch rufe. Die Kinder aber schickt erst in die Betten! (Die Kinder gehen vor die Säulen und führen ihr Gefecht aus der ersten Szene geräuschlos mit Kissen fort. Dies bleibt so, erst bei Kreusas Schrei halten sie ein.) Ein Akt im Staate ist des andern Stufe, Euch ruf ich im Verbunde auf zum netten. Der König hat entschieden und gekommen Seid ihr, das Glück aus seiner Hand zu fassen, Mögs einer Schar von jungen Prinzen frommen, Und soll die Liebe nie das Paar verlassen. Stehn Herzenswunsch und Staatsräson zusammen, Solln schweigen alle kleinlichen Bedenken, Die Mißgunst und den Neid will ich verdammen, Und Lästermäuler mög der Schinder henken. Zwar habt ihr selbst euch lange nicht gestanden, Was euer Herz die Augen ließ verkünden, Daß es bestimmt, daß sie zusammenfanden, Begreifen Quellen erst, wenn Flüsse münden. So schämt euch nicht der ungestümen Eile, Die Wahrheit braucht den Vorlauf nicht zu walten, Die Götter wollen den Verbund der Teile, Da darf die Sitte nichts dagegenhalten. (Er gibt Jason zwei Ringe.) JASON (steckt Kreusa den Ring an): Des Vaters Wunsch bestätigt mir den meinen, Daß ich wohl glaub, die Götter sind die dritten, Denn große Freunde lassen sie erscheinen, Nachdem ich lang Entsagung hab gelitten. KREUSA: Ich wag die jähe Wende nicht zu fassen. Des Vaters Klugheit paart sich großer Güte, So wie die beiden Ringe trefflich passen, Paßt alles, was aus seinem Wunsche blühte. Doch daß der Held, der überragt mein Hoffen, Verlangen nach mir trägt so wie kein zweiter, Macht mir den Himmel aller Götter offen, Denn nichts um Tod und Leben will ich weiter. KREON: Es ist der Wille aller Elemente, Daß Heldenmut sich Königsglanz vereine, Es eine sich das allzulang Getrennte. Nun Jason – küß die Braut, die nun die deine! (Sie küssen sich erst zaghaft, dann innig. Medea geht gespenstisch mit einem Krug durch die Szene zu den Kindern.) JASON: Wo weilte ich? Wie konnte je ich leben Und das entbehren, was die Milch dem Kinde, Durchs ganze Land will Kreusa ich dich heben, Den Namen rufend weit in alle Winde. KREUSA: Ich schlief, so ist mir, ehe mein Erwecker Mir gab das Leben, das mich nun durchflutet, Er wohnt in mir, ist meiner Glieder Strecker Und das Geheimnis, das im Herzen blutet. KREON: Eh ihr euch ganz dem köstlichen Gefühle Anheimgebt, habt noch einer Ehrung Augen, Nach meinem Tod erreicht ihr selbst die Stühle, Die diesem Land zu seiner Wohlfahrt taugen. Dies zu bezeugen werd mit meinem Segen, Der Frau des Helden Schmuck mit einer Krone, Ich will sie auf das Haupt der Mutter legen, Die mir verhilft zu einem Enkelsohne. Sie ist sehr alt und zierte immer Frauen, Die Fruchtbarkeit von Hera selbst erbaten, Ich will sie auf dem Mädchenhaupte schauen, Denn Helden zieren ja die großen Taten. JASON: Habt ihr die Krone selber nie getragen? Es schickt sich, daß Getragnes trüg die Schöne. KREON: Ja, in der Tat, die Sitte soll nicht klagen. Darum mich selbst zuerst das Kleinod kröne. (Er setzt sich die Krone auf und verschmort in einem Feuerblitz. Kreusa schreit kurz und schrill und stürzt ohnmächtig. Jason faßt sie sanft und trägt sie hinaus.) |