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Aus »Medea. Tragödie«.   Vers 51783 bis 51874

DRITTER AUFZUG. ERSTE SZENE


Im Thronsaal des Aietes. Allgemeiner Verfall und Tristesse.


Aietes, Qulha.

AIETES: Was gibt es in den östlichen Provinzen?
Die Ernte war in diesem Jahr doch besser?

QULHA: Die Üppigkeit gilt nur für Rohr und Binsen,
Verhandelt wurden Äxte schon und Messer.

AIETES: So gibt es das Geringste nicht zu holen?
Wie soll ich die Gesandten so empfangen?

QULHA: Wir haben überall zerrißne Sohlen,
Und dürre Leiber, die von Gram verhangen.

AIETES: Wer kann Tribut aus solcher Armut heischen,
Wo sein Besitz sich jeden Tag vermindert?
Wer übersehen, daß rings die Krähen kreischen,
Und der Tribut sich selber noch verhindert?

QULHA: Sie werden nach den Arbeitsstarken schauen
Und sie verkaufen auf die reichen Inseln,
Den übrigen bleibt nur das nackte Grauen,
Und niemand hört ihr Fluchen und ihr Winseln.

AIETES: Ob einzeln Sklaven oder nur im ganzen,
Ein Unterschied ists kaum, bei Licht besehen,
Wie der Erobrer läßt die Geißeln tanzen,
Ist mir ein Flötenspiel beim Untergehen.

QULHA: Wär Zeit vorhanden, um sich zu erholen,
Wär der Tribut auf Dauer zu verkraften,
Seht, ein Kamel trägt leichter als ein Fohlen,
Wir kämen frei, wenn wir den Aufschub schafften.

AIETES: Ein Alter Mann wird nie ein junger Springer,
Darum ists Täuschung, daß uns Zeit erlöse,
Man laß von solchem Handel Sinn und Finger,
Denn aufgeschobne Schuld ist doppelt böse.

QULHA: Man könnte sehr den Ackerbau verbessern
Mit neuem Werkzeug und mit Anreizpreisen,
Wir hatten niemals Zeit, um zu bewässern
Die Täler, die dann Fruchtbarkeit beweisen.
Auch gibts im Volk noch Schätze, die verborgen,
Solang sie nicht Bereicherung verheißen,
Nimmt man der Wirtschaft die Enteignungssorgen,
Gelingt es ihr, das Ruder rumzureißen.

AIETES: Wir sollen, um Tyrannen zu entgehen,
Uns eigne züchten und sie fett ernähren,
Dies macht, daß wir in goldne Zeiten gehen,
Daß die Tribute nur noch Mücken wären.
Mir sträubt sich alles bei dem tollen Plane,
Wer Gold vergräbt, statt unsre Not zu lindern,
Dem zu vertraun, gleicht einem schlimmen Wahne,
Blutsaugerpack geselle sich den Schindern.

QULHA: Ihr überseht das Wuchern mit dem Pfunde,
Im Westen bringt es Wohlstand auch Geringen,
Wir lebten lange wie verlauste Hunde,
Doch sollte die Kopie auch uns gelingen.

AIETES: Gesetzt, ich ließ euch mit der Sitte brechen,
Doch niemand leiht euch auf die Wohlstandsmären,
Die Skythen nehmen nichts als bare Zechen,
Und welcher Gott soll euch Kredit gewähren?

QULHA: Ein großes Opfer ists, doch zu bedenken,
Auch ihr habt noch verborgnes Gold im Hause,
Eh es geraubt, ists besser zu verschenken,
Es reicht gewiß für ein Jahrsiebent Pause.
Ich denke hier an eurer Väter Krone,
Die an Gewicht und Reinheit ohnegleichen,
Ihr gebt sie ohnehin ja keinem Sohne,
Für unsere Rettung soll das Gold wohl reichen.
Bedenkt, daß neben unserm Zins in Barren
Ein Zeichen wärs, Reserven zu beflügeln,
Man wird sie sogar aus dem Ausland karren,
Und baun und schaffen hier auf allen Hügeln.

AIETES: Es ist mir leicht, die Krone zu entbehren,
Ich schuf ihr keinen Ruhm in meinen Jahren,
Doch will ich euch die wahre Güte lehren,
Sie ist dem Stamm von Göttern hergefahren.
Das Königsblut erschiene als Marotte
Käms nicht von Göttern, die es uns vertrauten,
Drum wär es größte Lästerung dem Gotte,
Vergäß ich ihn bei euern Schlangenlauten.
Eh ich zerschmelz das Königsgold zu Barren,
Werf ichs ins Meer, daß es sich innigst läuter,
Euch ist die Würde Eigenschaft des Narren,
Doch der geschlagnen Kuh versiegt das Euter.
Ich dank euch diese Lösung der Konflikte,
Ich werd sofort zum Klippenstrande eilen,
Daß meine Würde ich zum Himmel schickte,
Will ich jetzt keinen Augenblick verweilen. (Ab.)

QULHA: Geprüft wird dieses karge Land am Meere,
Jetzt hat der König den Verstand verloren,
Es bräuchte Erze, Schmiedeglut und Heere,
Doch dies ist unverständlich einem Toren.
Er traut viel eher magisch-dunklem Krempel
Wie jenem Fell, das lange hing im Baume,
Verliert die Zeit im Singsang und im Tempel,
Statt aufzuwachen aus dem Dichtertraume.
Allein die Wirtschaft kann Probleme lösen,
Und keins, das sie, befreit, nicht heiter löste,
Wenn Mann und Frau in diesem Lande dösen,
Ist doch am Kopf die Schläfrigkeit die größte. (Ab.)