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Aus »Punisches Lied. Tragödie«. Vers 48549 bis 48620 ERSTER AUFZUG. ZWEITE SZENE Dido, Anna. DIDO: Dies ist ein großer Tag nach Schmach und Schande, Die höchste Göttin schirmt vertriebne Treue, Es ist nun Zeit, daß ich mich nah dem Lande, Und mich an dem Gedeihn der Seefahrt freue. ANNA: O Dido, man schaut Land, es schrein die Möwen, Ich zag und freu mich, hin und her gerissen, Vielleicht gibts Elefanten hier und Löwen, Die Stunden trödeln so im Ungewissen. DIDO: Ob wilde Tiere, Schlangen und Skorpione, Die Göttin gab mir Kraft für eine Gründung, Mein Steuermann trägt seines Faches Krone, Er führt uns sicher in die Hafenmündung. ANNA: Mir träumte diese Nacht von unserm Bruder, Er drohte uns mit einer Ruderflotte, Er nannt mich Räuberin und freches Luder, Und klagte über uns beim Meeresgotte. DIDO: Neptun wird diesen Tobenden nicht hören, Ein Greul ist dem Olymp ein solcher Raser, Wer gottlos sich vom Golde ließ betören, Spürt Gram des Himmels bald in jeder Faser. ANNA: O Dido, sind die Götter nicht auch neidig, Und schmücken sich mit Kränzen, mit geraubten? Mag Venus nicht die Daunen, hell und seidig, Und Jove thront im mühevoll Belaubten? Kann denn ein Gott, dem alles zu Gebote Ermessen, was es heiße, nackt zu fliehen? Weiß denn Ambrosia was vom harten Brote, Von Kindern, die nach ihren Müttern schrieen? Den Himmel nenn ich blind in einer Sache: Die Ungewißheit kann er sich nicht denken. DIDO: Wer träumt und wer da ungeblendet wache? Was nützt dem Nacken künstliches Verrenken? Glaub nicht, im Himmel sei nur eitel Sonne, Grad Juno trägt das Leid wie alle Frauen, Sie weiß vom Schatten wohl in ihrer Wonne, Sonst würde ich ihr töchterlich nicht trauen. ANNA: Ja Juno, doch wird sie gar oft vom Drängen Des Jove abserviert in Hinterzimmer, Der den Olymp mit Wolken zu verhängen Wohl weiß, hat List und große Pläne immer. Er läßt sich nicht vom Bitten und vom Flehen, Vom Recht und von den guten Sitten bremsen, Ihm taugen Mensch und Tier um fortzugehen, Er tritt heraus aus Schwänen und aus Gemsen. Drum scheint mir Juno in der Defensive Kaum in der Lage, unser Recht zu schützen, Und hörte sie das Leid in Herzenstiefe, Sie käm zu spät und würde uns nichts nützen. DIDO: Es ist ein Trug zu meinen, daß den Flinken, Die alles überstürzen und durchlärmen, Gehör die Welt, daß Schweigende versinken Und sich nur sorgen, jammern oder härmen. Das Schweigen, das Beharren auf dem Rechte, Schafft erst den Quell, zu sprudeln und zu walten, Drum schau zuerst und immer auf das Echte Und such die Wahrheit immer im Uralten. ANNA: Ist es nicht recht, zu fliehen das Verbrechen, Die Heimaterde, unsrer Väter Erbe? Ist es verrückt, in offne See zu stechen, Daß man allein und als Gebannter sterbe? DIDO: Die Heimat ist nicht dorten, wo mein Gatte In Bruders Messer röchelte, erstickte, Noch nie ich eine andre Heimat hatte, Als die, dahin mich Junos Segen schickte. Du wirst es schauen, blühend und gedeihend, Das Land, das Juno hat uns auserkoren, Wirst froh sein, dich dem Jubilieren weihend, Denn ohne sie bist überall verloren. ANNA: Du bist die ältre, weise und erfahren, Dein Mann hat dich begabt mit neuem Schauen, Ich unterlieg im Mute wie an Jahren, Mit ists bestimmt, der Schwester zu vertrauen. |