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Aus »Die alte Linde. Erstes Buch«. Gedichte 2012 Vers 40324 bis 40355 ODDERADE Ein Mädchen einst in Odderad Ging in den Wald zum Stelldichein, Jedoch die Bosheit ohne Gnad Ließ das erhoffte Glück nicht sein. Auf einer Lichtung fand man tot Die Maid mit einem Blumenstrauß, Ihr Kleid war von der Wunde rot, Ihr Anlitz alt vor Schmerz und Graus. Man wußte bald, daß ein Student Sich heimlich mit dem Mädchen traf, Den man darum den Mörder nennt Und zum Gerichte ruft den Graf. Doch der Beklagte ruft beim Herrn, Es sei die Tat die seine nicht, Man glaube, heißts, die Unschuld gern, Wenn ers beschwör vor dem Gericht. Allein – obs eine Teufelei – Er hebt die falsche Hand zum Eid, Drum heißt es, daß er schuldig sei Und seinen Leib der Henker freit. Nach seinem Tod ein andrer Mann Gesteht den Mord im Riesenwald, Ein schuldlos Blut zur Erde rann, Weil Irrtum als Geständnis galt. Die Lichtung, wo der toten Maid Der Minner folgt nach einem Tag, Fünffingrig eine Linde weiht Und schwört auf diese alte Sag. Wem Borke gilt wie eigne Haut, Als Lauscher durch die Wälder geht, Und nur wer Lindenblut vertraut, Weiß auch, wies um die Seele steht. |