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Aus »Die alte Linde. Erstes Buch«. Gedichte 2012   Vers 40228 bis 40323

DE HEER LINDENBOOM


Im Wappen der Gemeinde Heede
Reckt sich ein Lindenbaum, als wollt
Er sprengen die gemalte Rede,
Und daß sich die Begrenzung trollt,
Und in der Tat, der nirgends hohle
Hauptstamm zeigt sich wie keiner dick,
Im Emsland mit gewaltger Sohle
Den Fuß des Lindentraums erblick.

Geschichten gehn um diese Linde,
Die manches Alter stand allein,
Dann schloß, daß ihre Hut sie finde,
Die Schärpenburg den Riesen ein.
Das rettete sie nicht vorm Feuer,
Und abgebrannt sind Wehr und Tor,
Jedoch das Linden-Ungeheuer
Trieb wieder aus dem Schutt hervor.

Man ließ nicht ab, den Wuchs zu kappen,
Und grindig zeigt die Leidensschicht,
Wie Fische, die nach Blasen schnappen,
Den unzerstörten Drang nach Licht.
Die Wunde zwang sie in die Breite,
Im Wuchern, daß sie keiner brems,
Gab sie sich selber Wall und Leite
Und ward zur Schirmerin der Ems.

Im Liede heißt es viermal viere
Der Bäume sein ein Wald im Stamm,
Das Bild der Hyder zeigt im Tiere
Die Fruchtbarkeit im Drachenkamm,
Doch wo das Tier hat anzuknüpfen
An Ahnen, die im Staub verwehn,
Braucht ihrer Haut nicht zu entschlüpfen
Die Linde, tausend Jahr zu stehn.

Und doch ist selten bei der Größe,
Daß nirgens steckt ein morsches Stück,
Es kümmert nicht den Kranz der Schöße,
Ob Sturm sich einen Stämmling pflück,
Hier wird ein Wrack nicht noch kaputter,
Hier fällt allein vom Haupte Haar,
Weshalb hier von der Großen Mutter
Zu jeder Zeit die Rede war.

Die Mutter ist im Christentume
Wie Leto meist obdachlos arm,
Auch gehts zur Herrschaft und zum Ruhme
Seit je durchs Tal von Pein und Harm,
Doch wenn die Maler uns Madonnen
So menschlich maln, so jung und hell,
Vergiß an diesem Gnadenbronnen
Niemals das Band von Licht und Quell.

Auch wo die Borke alt und narbig
Die Söhne wachsen läßt ins Licht,
Erkenn die Frau, die wechselfarbig
Uns zeigt der Weisheit Angesicht,
Denn was das Evangelium spiegelt
Als menschenhaft im Menschenmaß,
Ist in der Schöpfung eingeigelt,
Die diese Mutter stets besaß.

Vier Mädchen seien hier behandelt,
Sie sagten aus und schwuren auch,
Die Gottesmutter sei gewandelt
Leibhaftig auf dem Lindenbauch,
Vier Sommer die Erscheinung währte,
Die Rom nie untersuchen ließ,
Am Anfang uns das Rheinland kehrte,
Und ganz am Ende fiel Paris.

Der Zeitpunkt dieser Heilsberichte,
Der peinlich ist der Prominenz,
Erklärt, daß sich bei der Geschichte
Der Eifer sehr in Rom begrenz,
Was wollte uns die Jungfrau sagen
In dieser Zeit, an jenem Ort?
Darüber nachzudenken wagen
Ist für Karrieren blanker Mord.

Der Bischof Bode meinte neblich,
Als schon so viele Pilger hier,
Es sei doch völlig unerheblich,
Ob Weihe diese Wallfahrt zier,
Er hofft, er kann den Schlußstrich ziehen
Im Streiten um die rechte Lehr,
Denn wenn Beliebtheit ist gediehen,
Erübrigt sich ihm das Woher.

Dies ist grad wie bei Calvinisten,
Ja demokratisch und modern,
So sieht man wo bei solchen Christen
Verortet ist der Weihnachtsstern.
Wo in Damast und Seidenfutter
Die Wahrheit ward zu Spiel und Spott,
Da steht der rechte Christ mit Luther
Allein und nackt vor seinem Gott.

Und ob Marie hier menschgestaltig
Geschaut ward oder nur erhofft,
Wird einem, dem der Schoß sich faltig
Im Laubicht und im Holz verstofft,
Mit besserm Rechte Nebensache,
Als einem, dem dies bloß bequem,
Denn ihn trägt, was der Herr auch mache
Der Himmel und sein Diadem.