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Aus »Schnitterfest«. Gedichte 2011   Vers 39086 bis 39133

DER TUGENDSAME ATHEIST


Als der Spinoza ward bekannt,
Da hat ein glaubensschwaches Land
Gemeint, daß Christentum sei not,
Da andern Falles Mord und Tod
Alltäglich und allnächtlich wärn
Und ohne Ruh die Flur verheern.

Vor dem Szenarium, fest gefügt,
Recht eindrucksvoll die Ansicht trügt,
Es zeigten sich doch allerweil
Die Leugnenden von Christi Heil
In Tugend, Sitte und Gesetz,
Kein Unhold da das Messer wetz.

Dagegen klebe Blut und Schmach
An dreißig Jahren Ungemach,
Auch sei die Kirche alter Zeit
Voll Unrecht, das zum Himmel schreit,
Drum Christi Tod und Wiederkunft
Sei nun erkannt als Unvernunft.

Und umso lauter mans bespricht,
Sieht man die Pferdefüße nicht,
Was schmeichelt glaubt man und was paßt,
Und so wird Gründlichkeit zur Last,
Denn wer dem Teufel ist verfalln,
Trägt stets ein Stück von seinen Kralln.

Er will die Macht, die Macht allein,
Drum muß er sehr behutsam sein,
Er zeigt Geduld, daß Übereil
Ihn wertet als sein Gegenteil.
Vor der geübten Täuschekraft
Schützt Klugheit nicht und Wissenschaft.

Denn wer der Meister ist im Trick,
Der weiß um Wünsche und Geschick,
Er zaubert das begehrte Gut
Und hat so manches Glück im Hut,
Vor allem setzt er auf die Zeit,
Denn jeden schreckt ein Weg, der weit.

Und ist sein Blendwerk erst gereift,
Kein Aug den Horizont begreift,
Aus allem, dem der Blick vertraut,
Die Maske einer Fratze schaut,
Und also narrt der Augenschein
Und läßt die Nebel dichter sein.

Drum nimm des Heilands Warnung an,
Sein Antlitz nur behüten kann,
Wo Taufe spricht und Abendmahl,
Wird der Versucher aschenfahl,
Und nutzte er das Unschuldskleid,
Ists aus mit der Gelassenheit.