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Aus »Traum von Atlantis«. Gedichte 1994   Vers 8978 bis 9062

SINDBAD


Am Feuer, wo zur Nacht die Karawane
Den Staub vergißt und alle Mühn der Fahrt,
Erhält den Ehrenplatz, wie einst sein Ahne,
Der Dichter, der im prinzlichen Turbane
Die Weite und den Weg daher bewahrt.

Und im Palast des Sultans, wo Fontänen
Geheimnisreich die Marmor-Schalen fülln,
Entlockt der Dichter seinen Hörern Tränen,
Es scheint, als ob im Sande die Hyänen
Sich schütteln und die Herrn der Wüste brülln.

Und er vertraut, im Wort ein sichrer Wähler,
So manchem Ohr im Reim, der ihm behagt,
Was man erzählt von früherem Erzähler,
Der Geistermeere sah und Schlangentäler
Und siebenmal die große Seefahrt wagt.

Er füllt die Fahrten wie verschlungne Ringe
Mit Todeskampf und nackter Schreckenstatt,
Doch zieht er seinen Kopf aus jeder Schlinge,
Weil ihm der Herr der staubgeschaffnen Dinge
Ein hohes Alter zugemessen hat.

Die Inseln, die die Phantasie entzünden,
Bewacht das Meer, das keinem Herrn gehört
Als dem, den Tat und Weisheit nicht ergründen,
Der erstens war, in den die Zeiten münden,
Und dessen Plan nicht Macht noch Zufall stört.

Und Inseln gibt es, überhäuft mit Mären
Und Schrecken, die die Lauscher nie erfahrn,
Und ließe man den Dichter ewig währen,
Er könnte doch von dem, was sie gebären
An Träumen, höchstens Splitter offenbarn.

Die erste Insel, reich an Grün und Früchten,
Erweist sich als ein schlafversunkner Wal,
Und wer, gewarnt von seltsamen Gerüchten,
Dem Augenschein vertraut, muß hilflos flüchten
Ins Spiel der See und in die nächste Qual.

Was lebt, weiß nichts von seiner Todesstunde,
Und offen scheint, wann uns der Dunkle würgt,
Wir plagen uns und gehen doch zugrunde,
Und dennoch rührt uns jede Rettungskunde,
Weil sie die Rettung überhaupt verbürgt.

Geringe Dinge, die man sonst nicht achtet,
Sind ausersehn zu Wundern in der Not,
Und während die Gefährten Flut umnachtet,
In einem Zuber sich zu halten trachtet
Der Held und schaut ein Land im Morgenrot.

Es ist die Insel, wo in Neumondnächten
Der Seehengst deckt die Stuten des Mihrdschan,
Und wer das Stirnmal trägt des Gottgerechten,
Sorgt wohl, daß Diener ihn zum König brächten,
Und Ende fand die Fahrt aus Schmerz und Wahn.

Wer heimgekehrt ist, lobt sich Weib und Frieden,
Doch allzulang hat, wer die Sehnsucht kennt,
Zum Frommen oder Fluch sich nie beschieden,
Und wer ihn antrifft, sieht ihn Pläne schmieden,
Solang die Jugend in den Adern brennt.

Der Weise wird die Unvernunft nicht richten,
Die seinen Traum mit Atem füllt und Blut,
Und was sich klärt in dauernden Gesichten,
War Hochmut gegenüber Recht und Pflichten,
War ausgeschlagner Rat und Übermut.

Die Inseln sind Prinzessinnen, die schlafen,
Verwunschne Herzen, zärtlich und verträumt,
Und wer zu lauschen wagt im fremden Hafen
Den Liedern, wenn die Wogen Klippen trafen,
Hat bald im Schlaf das eigne Schiff versäumt.

So ist bestimmt auch dieser zweiten Reise
Verwegeneres als die Fahrt zu Schiff,
Und wer das Ei des Rock fand, kennt die Weise,
In seinem Fang durch eine Himmelsschneise
Zu schweben an ein fern gelegnes Riff.

Was später folgt bei palmbaumlangen Schlangen,
Bei Menschenfressern, Affen, Ghulen, Dschinn,
Die Todesfurcht, in einer Gruft gefangen,
Und wie es ihm im Paradies ergangen,
Das stehe für die nächste Nacht dahin.

Auch sei verhehlt, was er an Öl und Sandel
Auf Irrfahrt bis ans Grab des Salomo,
Rubinen, Perlen, Aloe und Mandel
Errang und noch vermehrte durch den Handel,
Steht doch im Ost der helle Morgen loh.

Die Karawane wird den Rastplatz räumen,
Der Sultan wird noch ein paar Stunden ruhn,
Allein der Dichter hat nichts zu versäumen,
Er wird in jeder Lage weiterträumen,
Denn Traum ist all sein Leiden und sein Tun.