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Aus »Der Weiße Falter«. Gedichte 1992 Vers 6741 bis 6820 JORINDE UND JORINGEL Als noch das Haar des Dachses Gab Maß für Lied und Buch, In Feldern blauen Flachses Wuchs Liebe, Treu und Such, Als man sich noch mit sachter Verbeugung an der Linde Gegrüßt, schrieb ein Erwachter Joringel und Jorinde. Und zart sind seine Tupfer, Verhalten ist sein Ton, Er zagt als junger Hupfer In Demut und Passion. Er wagt mit ihr die Reise, Schlank wie Vanill und Dingel, Und so ertönt die Weise: Jorinde und Joringel. Doch ist das Böse älter Als Glück und aller Reim, Ein jeder tritt die Kelter Allein und sucht sich heim, Und ward das Schaf gemolken Und Spielzeit lacht dem Kinde, Drohn doch schon dunkle Wolken Joringel und Jorinde. Der Mai weiß keinen Hagel, Der Sauerampfer schmeckt, Der braune Fingernagel Hält sich in Scham versteckt, Doch Neid schaft Pfeil und Bogen, Daß er das Paar umzingel, So wird der Lenz betrogen Jorinde und Joringel. Der Fluch, der ihn versteinte, Sie fängt als Vogelsang, Vernichtet das Vereinte, Zerreißt im Eulenfang. Die Schinderin der Herzen, Gesalbt mit Ackerwinde, Schafft Einsamkeit und Schmerzen Joringel und Jorinde. Er dient dem Treu-Examen Als stiller Schäfer gut, Er bleibt bei seinem Namen Und rein in Aug und Blut, Und seinen Tag durchläutet Die Herde mit Geklingel, Und der Refrain bedeutet Jorinde und Joringel. Der Sommer geht, Oktober Macht gülden Au und Hag, Das Heu ist längst im Schober, Und kürzer wird der Tag, Es folgen kühle Nächte, Taub bleibt des Herbsts Gesinde, Daß es zusammenbrächte Joringel und Jorinde. Es weiß ihm mancher besser Was schicklich und gemein, Und wie ein Schlachtermesser Treibt Frost ins Herz hinein, Daß manche Lippen röter Und holder, rät ein Schlingel, Doch wird das Eis nicht Töter Jorinde und Joringel. Er träumt die Blume, blutig In ihren Blütenfarben, Erfährt, daß viele mutig Sie suchten und verstarben, Das Perlen Morgentaues Bekrönt, die niemand finde, Er bittet Gott, vertrau es Joringel und Jorinde. Neun Nächte und neun Tage Streift er durch Au und Tann, Bis er, so weiß die Sage, Den Wunderblust gewann, Daß sie befreit sich finden, Sein Zeh im Sand den Kringel Vollendet, daß sich binden Jorinde und Joringel. |