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Aus »Götzenspiele. Tragödie«.   Vers 69602 bis 69674

ZWEITER AUFZUG. FÜNFTE SZENE


Weißlingen mit Laute, Maria, Götz.

GÖTZ: Ich höre Lautenschlag und heitre Weise –
Wärs möglich, daß die Haft nicht mehr so schändlich?

WEISSLINGEN: Ich preise den Veranstalter der Reise,
Der Weg zum Glück ist kurz und nicht unendlich.

GÖTZ: Solch scharfe Wende läßt den Makler stutzen.
Wärs möglich, daß der Zweck die Mittel heiligt?

MARIA: Ich kann der Wahrheitsfindung hier nicht nutzen,
Bin, Bruderherz, hier gänzlich unbeteiligt.

GÖTZ: Die Sache riecht nach Weiblichkeit. Verdächtig
Bist du der Korruption des klaren Denkens.

MARIA: Ich fand den Mann verkatert, übernächtig,
Verlassen dann von deiner Kunst des Lenkens,
Gab ich ein Frühstück und getragne Kleider,
Auf seinen Wunsch auch lang verstimmte Saiten,
Sein Freun darob – es ist dir peinlich leider –
Will ich, dem Vorwurf trotzend, nicht bestreiten.

GÖTZ: Maria, oh, ich kenn dich, raffinierte
Einfädlerin, wenn Unschuld du beteuerst,
Verfährst du wie die Dirne, die sich zierte,
Weil den Verdacht du nämlich noch befeuerst.

MARIA: Ich laß euch jetzt allein, denn solch Verhöre
Muß ich mir echt nicht antun hier. (Ab.)

WEISSLINGEN:                 Du Dussel!
Sie zeigte nichts als Gastlichkeit, ich schwöre,
Sie redet wahr, verschweigt nicht kleinste Fussel.

GÖTZ: So so, nicht Fussel, aber nackte Beine?

WEISSLINGEN: Erotomane, es wird langsam peinlich.
Nicht mal ein Stündchen waren wir alleine.

GÖTZ: Doch die Verwandlung ist ganz augenscheinlich.

WEISSLINGEN: Du sagtest eben noch, ich sei flexibel,
Nun wundert dich, daß ich das beste mache
Aus dem was ist und nicht etwa penibel
Aufzähl, was alles faul an dieser Sache.

GÖTZ: Anpassung liegt dir, das ist völlig richtig,
Doch daß du übertreibst mit Lautenschlagen,
Macht mein Vertraun in diesen Wandel nichtig
Und läßt mich nach den Trugmotiven fragen.

WEISSLINGEN: Gib deinen bösen Argwohn auf! Ich fiedel
Nicht nur Marien, auch du sollst fröhlich werden,
Denn nichts ist holder als ein schlichtes Liedel,
Was Gott den Sinnen hat vermacht auf Erden.
(Er wirft sich in Pose und singt):
Der Mime überträgt das Vorgegebne,
Figurenlust und dichterische Leiden,
Daß er dem Zaungast jede Klippe ebne,
Läßt er die Haut und grast auf fremden Weiden.
Was unterhalb der Maske ihn durchblutet,
Was eigen schweigt im Flitterglanz der Zeichen
Und was das Licht der Bühne überflutet,
Erfährst du, wenn er ganz bei seinesgleichen.
Der Mime wacht am Gral, den wir vermissen,
Er machts wie Pythia oder Orgelpfeifen,
Was Dichter eigenhold vom Baume rissen,
Die Frucht läßt er gemeinen Mann begreifen.
Was unterhalb der Maske ihn durchblutet,
Was eigen schweigt im Flitterglanz der Zeichen
Und was das Licht der Bühne überflutet,
Erfährst du, wenn er ganz bei seinesgleichen.
Drum gönne ihm das maskenfreie Fühlen,
Wenn du wie er, die Bretter los, im Freien,
Und säume nicht, Mißtrauen fortzuspülen
Und dich in seinen Reigen einzureihen.
Was unterhalb der Maske ihn durchblutet,
Was eigen schwieg im Flitterglanz der Zeichen
Und was der Welt er niemals zugemutet,
Erlebst du, wenn er jetzt bei seinesgleichen.

GÖTZ: Nun gut, wenn du dich wohlfühlst auf dem Hofe,
So solls mir recht sein, und ich will nicht klagen,
Ein andermal füg ich dem Lied die Strophe,
Bis dahin gibts noch manchen Kampf zu wagen. (Ab.)

WEISSLINGEN: Ich bleibe bei Maria, mag der Ritter
Sich wandeln oder nicht, denn das Theater
Braucht zum Zerfallen keinen Bombensplitter –
Wo wäre sonst ein Sinn, ein adäquater?
(Ab. Pause.)