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Aus »Muttermord. Tragödie«.   Vers 67077 bis 67196

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Orhan, Flip. Baff und Klein kommen herein.

BAFF: Wir haben uns im Birkenhain getroffen
Und ohne Zeitdruck diesen Fall besprochen,
Daß das Motiv hier unklar bleibt und offen,
Hat uns nun deutlich weniger gestochen.
Die Psychologin wird uns attestieren,
Der Junge sei ein klarer Borderliner,
Dies werde sich verwachsen und verlieren,
Wird erst der Stau der Mannesmächte kleiner.
Der ödipale Haß auf seine Mutter,
Erschien durch Frust beim anderen Geschlechte,
Und findt er erst das ihm gemäße Futter,
Gewiß er nicht an weitres Töten dächte.
Wir werden drum dem Staatsanwalt empfehlen
Den offenen Vollzug hier zu gestatten,
Dann wird sich eine Beßrung nicht verhehlen,
Der hübsche Bub wird rasch zum stolzen Gatten.
Auch mildernd wirkt der Umstand beim Gerichte,
Den Lebenswandel dieser Frau ertragen,
Wär bei dem Kind, das innig liebt Gedichte,
Schon mal ein Grund, das Jugendamt zu fragen.
Katholisches Gymnasium, alte Schule,
Die besten Noten, ernst und ohne Flausen,
Und dann zuhause dieses Rumgebuhle,
Natürlich ist die Tat an sich zum Grausen.
Doch wenn man weiß, wies trieb besagte Dame,
Sie sprang mit vielen Männern in die Kiste,
Der Ehemann, ja, Alex war sein Name,
Wußt sich schon lange auf der Abschußliste.
Man kann sich ganz die Einzelheiten schenken,
Die Frau schuf grad am Fließband Mordmotive,
Daß rigoros die Jugend neigt zu denken,
Das weiß man, und die Bahn wird leicht die schiefe.
Drum sei mit Maß das Ärgere vermieden,
Nur wer vergibt, vermeidet weitres Böse,
Drum fordern wir für allgemeinen Frieden,
Daß sich der Straffall ohne Härte löse.

FLIP: Herr Klein, wie stehen Sie zu dieser Milde,
Von Teufelein war kürzlich noch die Rede,
Ist der Fanatiker, der gläubig wilde,
Nur beigelegt wie die Kollegenfehde?

KLEIN: Nun ja, der Standpunkt ist nicht ohne Logik,
Auch gibt es hie und da Entlastungszeugen,
Abschreckung gibts, doch gibts auch Pädagogik,
Ich denk, ich werd mich dieser Einsicht beugen.

FLIP: Ich allerdings seh nicht Entwicklungsstörung,
Die sich verwüchse und sich schließlich gebe,
Sein Wesen zielt auf Aufruhr und Betörung,
Weshalb ich Einspruch gegen Milde hebe.

ORHAN: Was tust du hier, Christine, bist du närrisch,
Ich habe dir vertraut mit harter Beichte,
Was schmähst du mich, an diesen Schellen zerr ich,
Hier ist die Hand, der sich die deine reichte.

FLIP: Herr Klein, holn Sie den Wachmann von der Türe,
Ich fühle mich bedroht von diesem Rasen.
Und nun zu dir: Wie ich die Sitzung führe,
Ich zündle nicht bei Sumpf- und Modergasen,
Doch daß du ernstlich meintest, daß gefallen
Könnt mir ein Lump, der Messer wetzt für Frauen,
Das ist der größte Tageswitz vor allen,
Du kannst nicht mal die Schmeichelei durchschauen.
Noch weniger dein eignes dumpfes Hassen,
Daß Frauen weigert alles Selbstbestimmen,
Du möchtest uns die Schürze nur verpassen,
Und wie die Nazis zum Gebären trimmen.
(zu Kriminalrat Baff)
Ich hab in kurzer Zeit herausgefunden,
Was bei der Tat bestimmende Motive,
Dies ist der Anfang erst, hier wird geschunden,
Das ganze Weltbild ist das gründlich schiefe.
(Kriminalrat Baff hebt abwehrend die Hände und versucht verzweifelt, um Mäßigung zu bitten.)
Herr Kriminalrat, jedem seine Künste,
Sie wissen viel von Taktik und von Spuren,
Vielleicht auch über Waffen, Feuersbrünste,
Ich aber hab studiert die Seelenkuren.
Was sie da ödipal und Co. verbrämten,
Ist wissenschaftlich längst schon überwunden,
Die Münchner Erstsemester Sie beschämten,
Versuchten Sie’s in einer ihrer Stunden.
Solch krudes Zeug mag Kripoleuten passen,
Doch stammts gewiß aus Vorkriegs-Mottenkisten,
So suchten Patriarchen es zu fassen,
Als noch am Herd die spätern Feministen.
Sie suchten ein Motiv und fanden keines,
Dies ließ Sie ohne Kenntnis spekulieren,
Bedarfs doch einzig eines nackten Beines,
Daß Sexverseßne sich nicht länger zieren.
Natürlich hat der Lump mir rasch verraten,
Warum er seine Mutter abgestochen,
Den Ritter reizte es zu Rächertaten,
Daß sie vor zwanzig Jahrn mal abgebrochen.
Sie nahm ihr gutes Recht, daß sie dem Bauche
Entnehmen ließ des Mannes Vorschnellspritzen.
Deshalb ist sie dem Patriarch nun Jauche,
Die man entsorgt mit scharfen Messerspitzen.
Dem Kirchenfreund ist sie ganz klar die Hexe,
Ein Zufall, daß sie ihn nicht abgetrieben,
Und da er haßt die Frauenrecht-Gewächse,
Ists Brüderchen nun eines von den lieben.
Da merkt man rasch den Vorwand später Liebe,
Er schafft es nicht, sich in Besitz zu setzen,
Drum ists ein Trost dem aufgestauten Triebe,
Die Mutter so wie alle Fraun zu hetzen.
Er hat mir grade ankündigt, später
Sei ich das Opfer wie es hier geschehen,
Es handelt sich hier um den Serientäter,
Der soll die Sonne keinesfalls noch sehen.

BAFF (zu Orhan):
Ist dieses wahr, habn Sie der Frau zu drohen
Gewagt, es geh ihr irgendwann ans Leben?
Sollts möglich sein, daß Sie sich mit dem rohen
Geschehenen noch nicht zufrieden geben?

ORHAN: Ich bat sie nur, sie möge sich entfernen,
Da sie mir mein Geheimnis hat entrissen,
Die Mutter weilt nur hinter allen Sternen,
Weil niemand sollt die große Schande wissen.

BAFF: Herr Klein, ich gebe offiziell die Sache
In Ihre Hand, ich fühl mich invalide,
Ich weiß nicht, was ich später einmal mache,
Ich weiß nur, daß es besser, wenn ich schiede. (Ab.)

KLEIN (zu Frau Flip):
Ich weiß wohl, daß die Führung ich hab inne,
Ist nichts als Schein, ich bin wie Baff geschlagen,
In diesem Land ist Mannsein eitle Spinne,
Sie haben uns perfekt zu Grab getragen.