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Aus »Muttermord. Tragödie«.   Vers 66891 bis 67076

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Orhan, Klein. Christine Flip, eine junge und sehr attraktive Psychologin, tritt auf.

FLIP: Herr Kriminalrat Baff bat mich zu kommen,
Sie hätten einen jungen Mann in Nöten,
Ich wär zwar bei dem Wetter gern geschwommen,
Für gute Dinge schluckt man schon mal Kröten.

KLEIN: Ja schön, der Stand ist der, es gab da Zeichen,
Die Mutter trug die Teufelei im Leibe,
Dies mußte ihm als Tötungsauftrag reichen,
Unklar, wer nun sich drob die Hände reibe.

FLIP: Ich glaub, ich hab zurecht aufs Bad verzichtet,
Ein hübscher junger Mann, das macht doch Freude,
Ich weiß bescheid, was alles angerichtet,
Und glaub nicht, daß ich meine Zeit vergeude.

KLEIN: Dann sagen Sie Herrn Baff, ich sei beim Essen,
Und denkbar ists, daß ich ’nen Kognak nehme,
Als Fahrer kann er heute mich vergessen,
’s wär recht, wenn er sich selbst dazu bequeme. (Ab.)

FLIP (nimmt Orphans linke, ungefesselte Hand):
Ich bin Christine, fast im selben Alter,
Ich denke, es ist lockrer, sich zu duzen,
Ich mag nicht die Verbissenheit am Schalter
Und Ku-Klux-Clan mit schrecklichen Kapuzen.

ORHAN: Ich auch nicht, der Herr Klein sprach gern von Sekten,
Ich kenne sowas einzig aus der Glotze,
Auch meint er, daß ich gerne mit versteckten
Angriffen wider alle Ordnung motze.

FLIP: Bist du vergeben oder noch zu haben,
Dies intressiert mich mehr als die Verschwörer,
Die Männer haben Stimmen oft von Raben,
Bei deiner aber glüht der Handyhörer.

ORHAN (verlegen):
Ob ich noch frei, das ist ja nun entschieden,
Zehn Jahre hab ich ganz bestimmt zu brummen,
Und wer mit dem Gesetze lebt im Frieden,
Der zählt mich ganz gewißlich zu den Dummen.

FLIP: Ich dachte nur, wenns eine Freundin gäbe,
Der könntest du verraten, was dich knebelt,
Es gibt auch Ausgang, nicht nur Gitterstäbe,
Da ward schon manch Verrenkung ausgehebelt.

ORHAN: Es ist nicht selten, Jungs in meinem Alter,
Oft ist es schwer und heut noch mehr als früher,
Ich weiß noch nicht, bin ich ein später Falter,
Vielleicht auch bin ich nur ein später Blüher.

FLIP: Auch gut, dann kann ich ohn Gewissen flirten,
Ich mach das gern und find es allmal besser,
Als wenn da Pfeile durch die Wolken sirrten
Und unerbittlich trennt ein helles Messer.

ORHAN (lächelt, dann wieder ernst):
Nun ja, die Wolken können es vertragen,
Wenn Pfeile kommen, gehn und sie durchzischen,
Wir haben andre Lasten zu ertragen,
Und schaffens nicht, die Pfützen aufzuwischen.

FLIP: Ein kurzes Lächeln nur, jedoch ich wette,
Es war das allererste heut am Tage,
Glaub mir, ich bleibe immerfort die Nette
Und stell gewiß nicht jene böse Frage.

ORHAN: Die böse Frage? Ach sie ist so böse,
Weil ich für eine Antwort find kein Hoffen,
Ich glaube nicht, daß ich den Knoten löse,
Und diese Frage bleibt wohl immer offen.

FLIP: Warum, frag ich mich, bist du bei dem Wetter
Nicht draußen, wo die Mutter kann nicht nerven?
Ja, in der Zeit der abgefallnen Blätter,
Da mögen sich Konflikte rasch verschärfen.

ORHAN: Heut morgen als noch Nebel stob vom Weiher,
Beherrschte mich der Spruch, es mög geschehen,
Und ohne Ohr für eine andre Leier,
Vermochte ich kein andres Ziel zu sehen.

FLIP: So bin ich wieder mal zu spät gekommen,
Mein Schicksal, grauslig, überall nur Scherben,
Mir träumte jüngst, es käm ein Schwan geschwommen
Und sagte mir, ich hätte viel zu erben.

ORHAN: Die Schilderung erinnert an die Griechen,
Ich wählte im Gymnasium alte Sprachen,
Sie dachten hoch vom Holden und vom Siechen,
Von Dingen, die sie liebten und verbrachen.

FLIP: Du liest wohl oft in diesen alten Schriften,
Ich glaub, das Pathos, dem die Dichter frönen,
Kann manchmal uns den klaren Blick vergiften,
Mit Leichtsinn warn die Griechen bei dem Schönen,
Grad so wie wir, die jung am Weiher schwimmen,
Sie rauften, eh sie dann gemeinsam soffen,
Daß die Erinnyen alles Tun bestimmen,
Geschah nur im Theater ohne Hoffen.
Die Strenge dieser festgelegten Muster
War ehr ein Ausgleich für viel leichtes Schwätzen,
Drum fassen wir die Griechen auch bewußter,
Wenn wir sie in dem Doppelsinne schätzen.

ORHAN: Du meinst, ich hätte im Tragödienschmökern
Mich eingebaut in Haß und Rächermauern,
Und würde nun mein Seelenheil verhökern,
Weil in den Träumen nur Dämonen lauern?
Dies ist nicht wahr, ich hege keinen Drachen,
Der fliegen will, die Länder zu verheeren,
Ich muß nicht nachts vom Schweiß gebadet wachen,
Weil ich mich sehne nach antiken Ehren.
Auch meine Mutter war nur etwas eitel,
Ansonsten ehr gewöhnlich in den Lastern,
Mir stand es frei, wie ich die Haare scheitel,
Ich brauch kein Seelenchaos zuzupflastern.
Wenn du mir helfen willst in meiner Schande,
So rette mich vor diesen Kleins und Baffen,
Es heißt, es käm noch eine ganze Bande,
Die würde mich gewiß zum Wahnsinn schaffen.
Sie wollen ein Motiv, ich kanns nicht bieten,
Es gibt kein Mittel, Einhalt zu erlangen,
Sie werden mir das Denkorgan vernieten,
Ich hab gedacht, sie nähmen bloß gefangen.

FLIP: Ich bin nicht eine Fee wie in der Fabel,
Ich kanns wohl lassen, daß ich dich verdrösse,
Doch daß man sich begnüg mit der Parabel
Und drüber dann geschwind die Akten schlösse,
Dazu hab ich nicht Elbenmacht noch Feuer,
Es sei denn, daß ich schlüssig überzeugte
Die Richter, daß der Grund so ungeheuer,
Daß jedes Wiederholen arg dich beugte.

ORHAN: Du stellst die Frage nicht und raunst dazwischen,
Die andern werden sie brutaler stellen,
Es hieße einem Rettungsseil entwischen,
Wollt ich nicht dir den Dunkelsinn erhellen.
Nun gut, ich will den Krug zur Neige trinken,
Ich sag dir, wer ich bin, das ist viel schlimmer,
Als meilenweit nach Zuchthausmief zu stinken,
Ein Mörder sein und kriminell für immer.
Wer eingesteht, ein Nichtsein wäre besser,
Und daß er aus dem Mörderpfuhl gekrochen,
Der fürchtet nicht Pistole oder Messer,
Da er das Rückgrat hat sich selbst gebrochen.
(Er weint bitterlich.)
So hörs, du wirst es ohnehin nicht glauben,
Ich hatte einen Bruder, gleichem Eie
Entsprungen, mir aufs Härchen gleichend,
Wir waren eins und waren dennoch zweie,
Dies sage ich, ihn niemals je erreichend.
Die Mutter wollte nur ein Kind gebären,
So stellte sie’s dem Arzt frei, eins zu töten,
Ich war dabei bei Mord und Auswahl-Klären,
Auch wenn wir nicht erinnern uns an Föten.
Sag, woher weiß das Kind vom Feuerdrachen,
Bevor es im Museum sieht Skelette,
Weil wir den Gang der Welt doch alle machen,
Und manchmal mischt ein Wort vom Mutterbette
Sich in die Träume, die wir niemals deuten,
Dies ist sogar den Griechen nicht gelungen,
Denn was wir als Erinnerung erbeuten,
Ist meist nur zum Geburtstag vorgedrungen.
Ich wußte, eh ichs wußte, traumhaft dunkel
Ein schreckliches Verbrechen war mein Werden,
Das Hermelin erschien mir mit Gemunkel,
Ich hätte niemals kommen solln auf Erden.
Die Mutter hat gedroht, die zwei zu morden,
Jedoch der Arzt war etwas noch infamer,
Er meinte, eines sei doch gut geworden,
So schaue man, wer von den beiden lahmer.
Man weiß wohl, daß auch Zwillinge sich streiten
Im Mutterbauch, die Welt ist dort nicht friedlich,
Sie suchen sich den Vorteil zu bereiten,
Und dann heißts reine Unschuld und wie niedlich.
Ich war wohl meinem Bruder überlegen
An Dreistigkeit, an Munterkeit im Streite,
Das gab den Ausschlag für Professors Degen,
Mein Bruder wurde starr an meiner Seite.
Er nahm mir nichts mehr von den Zuckersäften,
Dann stieß ihn eine Reinigung ins Freie,
Ich blieb allein und kam zu Wuchs und Kräften,
Doch wenn ich schlief, so hörte ich die Schreie.
Im Traum sah ich den Arzt mit einer Lanze,
Und hört mich schrein: Triff jenen, den ich zeige!
Und im Erwachen würgte mich das ganze,
Daß ich so schrecklich würdelos und feige.
Drei Jahre ist es her, der Mediziner
Verunglückte bei Koblenz mit dem Wagen,
Und seit im Hades schwafelt der Schlawiner,
Mußt ich die Mutter einzig noch ertragen.
Nicht weil sie Mord gedroht und dann befohlen,
Nicht weil ich meinen Bruder wollte rächen,
Warn ihre Augen glühend heiße Kohlen,
Ihr Wissen war für mich das Hauptverbrechen.
Nicht weils ihrs gleich, ob ich, ob jener stürbe,
Nicht weil sie niemals drückte ein Gewissen,
Mich machte ihre Zeugenschaft so mürbe,
Daß ich den Bruder in den Tod gerissen.
Wer einem Mord sein Leben dankt im Kerne,
Besteht aus Unrecht noch in jeder Zelle,
Drum hoffe ich, du bleibst mir künftig ferne,
Daß sich nicht neu die selbe Frage stelle.
Ich kann es um mein Leben nicht ertragen,
Daß jemand weiß, was dieser Kerl für einer,
Ich fürcht sonst, alle Leute könnten sagen:
Ja man erkennt den echten Frankensteiner.