Willkommen

Lebenslauf

Aktuell

Werke

Publikationen

Audio

Leserstimmen

Besucherbuch

Impressum
 
vorige Szene nächste Szene

Aus »Hinz und Kunz. Kabale«.   Vers 64201 bis 64352

ERSTER AUFZUG. VIERTE SZENE


Hinz, Richter, Schriftsteller.

HINZ: Kurz anzumerken ist dem Ich-Berichte,
Der lapidar ein deutsches Wesen schildert,
Das Leitmotiv, das diese Geldgeschichte
Zwar still und doch verheißungsvoll bebildert.
Bergpredigt, die für mich die wahre Pforte,
Sie scheidet das Gesetz von der Lappalie,
Auch sei nicht übersehn, am selben Orte
Stehn Weltgewinn und die Marienmedaille.

RICHTER: Beginnen Sie zu lesen! Selbstbezüge
Sind weder hilfreich noch ein Urteilsschärfer.
Wenn Sie der Text nicht in sich selber trüge,
Brächt dies dem Leser auch kein Flammenwerfer.
Wir achten nicht, ob Prediger, ob Ketzer,
Allein der Text macht süß uns oder sauer,
Also diktiern S’, als wachte hier der Setzer,
Denn was genau, macht auch kein Mehr genauer.

HINZ: In jedem Gliede der Geschlechterkette
Ist not ein schwarzes Schaf in der Familie,
Sie wär, wenn sie davon nicht eines hätte,
Ein Bohneneintopf ohne Petersilie,
Und weil mein Haus in jeglichem gewöhnlich,
Ist dieser Posten dauernd zu besetzen,
Es würde, wär ein jedes Glied versöhnlich,
Die Regel, die gewöhnlich macht, verletzen.
Im Augenblick bin ich der so Geschmähte,
Mein Patenonkel heißts, hat mich verdorben,
Jedoch wenn niemand in die Stapfen träte,
Wär ein Familienwesenszug gestorben,
Denn die Familie ohne schwarze Schafe
Entbehrt so sehr ihr allgemeines Wesen,
Daß unser Fehlen wohl die ärgste Strafe,
Drum will ich Dank in allen Augen lesen.
(Er räuspert sich.)
Mein Onkel gab mir Eis und Schokolade,
Daß Vater zog die Stirn in tiefe Falten,
Er setzte seinen Schwung in alles Fade,
Und er verstands, uns wohl zu unterhalten,
Kein Thema, drin er nicht den Meister zeigte,
Und keine Not, die seinem Rat nicht dankte,
Er wußte wohl, wie man ein Requiem geigte,
Welch Kräutlein not, wenn jemand hier erkrankte.
Stets liebenswert und trefflich ausgewogen,
Blieb er der Gast, den man nicht missen mochte,
Doch der Refrain, bevor er fortgezogen,
Wenn kurz die Kerze war samt ihrem Dochte,
Hieß immer, daß er bräucht zu investieren
Ein Darlehn, einen Vorschuß, eine Spritze,
Es sollte keiner einen Deut verlieren,
Weil dies die beste Redlichkeit besitze.
Man schlug ihm vor, er solle doch sein Wissen
Bemühn für ein Gewerbe und für Pfründe,
Doch die Gewohnheit ist nicht abgerissen,
Daß stets ein Satz am Schluß des Treffens stünde.
Mit Hut und Schal sprach er von kurzen Fristen,
Von Plänen, welche Lösung aller Mängel,
Und man vermied dies Ende nicht mit Listen,
Noch daß man ihn mit gutem Tropfen gängel.
Es war bekannt, daß er, sobald er flüssig,
Den Sieg betrank schon in der nächsten Schenke,
Und dorten, der Gesellschaft überdrüssig,
Die Chancen seines Pumptalents bedenke.
Zu Zeiten, dies sei keineswegs verschwiegen,
Kam er daher, ganz unverhofft liquide,
Man sah den Geldschein wohlgeglättet liegen
Als den Beweis, daß er das Krumme biege.
Jedoch war Tilgung stets die Ouvertüre,
Um größere Verbindlichkeit zu bitten.
Drum Gläubiger, daß man dich nicht verführe,
Glaub nie, du habest schon genug gelitten!
Dann kam sein Tod ganz ohne alle Künder,
Ein Laster hat zerquetscht ihn auf der Straße,
Und wir, die Erben, hatten offne Münder,
Denn er beschämte uns in höchstem Maße.
Ihn hatte, eh es ging ihm an den Kragen,
Die Lotterie bedacht mit reichstem Lose,
Und als Beginn von sorgenfreien Tagen
Trug er die Scheine bar in seiner Hose.
Das Duplikat der Quittung des Gewinnes
Die Mutter Gottes traf in seiner Tasche.
Als Widerlegung liederlichen Sinnes
(Hier sei bestreut gar manches Haupt mit Asche)
Befand sich in der Wohnung, arm, bescheiden,
Ein Quartheft, drin er jede Schuld verbuchte,
Es sollte keiner das Vergessen leiden,
Bei dem er je nach Hypotheken suchte.
Da standen große Summen neben Gaben,
Die andre nach Minuten schon vergessen,
Gerechtigkeit und Dank soll jeder haben,
Sei auch sein Opfer nur gering bemessen.
Mein Vater, der das Testament vollstreckte,
Hat alles reguliert, was aufgeschrieben,
Was drüberhin er mir als Erben steckte,
Sollt mir schon bald wie Sporenstaub zerstieben.
Ich ward Studiosus nun für sechs Semester,
Musik, für die ich gänzlich unbegnadet,
Als Fazit wurde mir der Argwohn fester,
Daß allzuviel Beharrlichkeit bloß schadet.
Ich machte neue Pläne und die Fristen,
Bis sie sich als unmöglich offenbarten,
Verkürzten sich, ich sollte nirgends nisten
Und ärmer heimkehrn nur von allen Fahrten.
Vom Onkel hab ich bloß geerbt die Blicke,
Die Säuglingskinder still und lächeln machen,
Doch daß ich mich darein beruflich schicke,
Ist heutzutag bei einem Mann zum Lachen.
Ansonsten fehlt mir das geschmeidig nette,
Des Onkels Art, auf Menschen einzugehen,
Es klingt wies Knurrn des Hundes an der Kette,
Will ich auf einem Barkredit bestehen.
Auch trag ich nicht mit leichtem Herz die Schulden,
Ich leide am Gewissen, das mich knechtet,
So kam es, daß ich, Reu und Buß zu dulden,
Mein Leben hab gekapert und entrechtet.
Mir ekelte vorm ringsum Abgebrannten,
Bereit, der Freiheit Segel jäh zu raffen,
Bat ich mit Flehn und Gründen die Verwandten,
Mir gegen Lohn die Sklaverei zu schaffen.
Entsetzen packte mich so manche Male,
Als ich begriff, dies läuft nicht nur im Spiele,
Doch unrebellisch rollte ich zu Tale,
Und sah mich bald beschäftigt wie so viele.
Ich hatte nun viel Schriftkram zu sortieren,
Zu lochen und dann sauber abzuheften,
Betrachtend mich bei eingepferchten Tieren,
Ward mir der Blödsinn klar in den Geschäften.
Mein Chef entwarf das Mobiliar der Mode,
Das unbrauchbar und Blendung für den Kunden,
Die Werkstatt gab dem Schwachsinn dann Methode,
Und ich vertat die Tage und die Stunden.
Bedeutsam schien mir nur im Arbeitsleben
Der Trambahnschaffner mit der Tilgerzange,
Er stand, dem Tag das An und Aus zu geben,
Auf daß kein Schicksal daure je zu lange.
Er machte mir den Mythos augenscheinlich,
Daß jemand wacht, uns mählich aufzufressen,
Gewissenhaft und keinem Auge peinlich,
Strich er das Leben, das uns zugemessen.
(Er macht mit einer Geste den Schaffner nach.)
Ich habe nicht gekündigt, erst ein Bote,
Der mürrisch sprach vom Los und meiner Nummer,
Hat mich befreit vom Haus, darin nur Tote,
Und von der Schuld, die vorher Gram und Kummer.
Nachdem ich so des Onkels Glück kopierte,
Wars manchem, daß ich fern nicht sei dem Ende,
Wenn ich mich auch beim Weinbrand niemals zierte,
Blieb ringsumher bekömmlich mir die Wende.
Das Geld, das frei von Steuern ist und Pflichten
Wird reichen, wenn ich nicht nach Höherm trachte.
Auf Regeln kann kein gutes Spiel verzichten,
Drum acht ich die fürs schwarze Schaf gemachte!
Als Sorg bleibt mir am Lebens-Nachmittage
Daß ich nicht weiß, wer stellt die nächste Runde.
Doch wers auch sei und die Familie plage,
Ich steh schon heut mit ihm im festen Bunde.