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Aus »Hinz und Kunz. Kabale«.   Vers 64080 bis 64172

ERSTER AUFZUG. ZWEITE SZENE


Eich, Ilse.

EICH: Schön, daß Sie etwas früher kommen konnten,
Die Sonne meint es gut mit dem Gemüte,
Bei Licht besehen, klären sich die Fronten,
Und Nebel läßt der Übersicht die Güte.

ILSE: Ich mein gar nicht, daß ich nach Norden reiste.
In Wien wars kühl, am Morgen fast schon bitter,
In Ihrem Brief verstand ich zwar das meiste,
Doch wiederholts noch einmal ohne Flitter.

EICH: Sie wissen, daß für mich und für Herrn Richter
Sie erste Kandidatin unserm Preise,
Doch auch der Norden fordert seine Lichter,
Darum empfiehlt sich zwischen uns die Schneise.
Ich bin befugt, verbindlich zu versprechen,
Daß niemand nächstjahrs gegen Sie im Rennen,
Doch dieses Jahr hat unverhoffte Schwächen,
Die will ich deutlich und konkret benennen.
Sie wissen, daß wir nicht im leeren Raume
Agieren, daß auf Beistand angewiesen,
Sind Früchte, die gedeihen nicht am Baume,
Und die zu viel Gerede kann vermiesen.
Kurzum, die Fördrer der Autorenrunde,
Wolln, daß ein gänzlich unbekannter Schreiber
Sei binnen eines Jahrs in aller Munde,
In Presse und in Rundfunk stehn die Treiber
Bereit, daß werde ausposaunt die Kunde.
Entschieden haben dabei die Strategen,
Daß die Kampagne sei eröffnet heute,
Und preist man unsern zielgenauen Degen,
Hat jeder Part zu lachen bei der Beute.
Ich war kein Unbekannter mehr im Reiche,
Doch wenn wir Unentdecktes nominieren,
So heißts, daß die Vorausschau stellt die Weiche,
Daß unser Preis wird höchlich profitieren.

ILSE: Sie sollten sich, mein lieber Eich, gewöhnen,
Daß Sie nicht mehr im Dritten Reiche leben.

EICH: Aufregung tut nicht gut den Obertönen,
Ich werd mir freilich etwas Mühe geben.

ILSE: Preisstrategie, nun gut, ich hab begriffen,
Ich bin beim nächsten Mal erst an der Reihe.
Doch welche Klippen Sie so sanft umschiffen,
Sind Sie und Richter mir der Rätsel zweie.

EICH: Wir brauchen Unterstützung, weil wir wähnen,
Die Runde wird so leicht die Wahl nicht segnen,
Sie werden uns bei seinem Vortrag gähnen,
Und danach wird es bitterböse regnen.

ILSE: Aha, die Frau soll die Kastanien mürbe
Vom Feuer holn, eh sie dort ganz verschmoren?
Und daß ihr guter Ruf dabei verdürbe,
Darüber wird kein Sterbenswort verloren?

EICH: Wir denken nicht so kurz, Sie zu verheizen,
Die Ernte dieses Coups kommt erst nach Jahren,
Wenn heute Sie mit gutem Wort nicht geizen,
Wird man demnächst in gleicher Weis verfahren.
Es mag wohl sein, daß heute manche fragen,
Ob Sie in Ihrem Urteil bei Verstande,
Doch allzuoft wirds dunkel nicht und tagen,
Da äfft man ihre Worte nach im Lande.
Genie, so wird man sagen, hat geraten,
Daß Sie dem Unbekannten beigestanden,
Dann stehn Sie in der Rolle eines Paten,
Dem unbestechlich klar, was sonst zuschanden.

ILSE: Was soll ich tun? Ich bin nur eine Stimme,
Wenn es die meisten finden ganz daneben,
Dann ist, ob ich nun glüh oder nur glimme,
Die Stimmung nicht mit Weiblichkeit zu heben.

EICH: Zunächst einmal wird Richter, zwar verborgen,
Den Kandidaten hätscheln und verwöhnen,
Gar mancher, der erhofft ein beßres Morgen,
Greift nur zu gern nach solchen Zwischentönen.
Zum andern werd ich offen für ihn streiten
Und damit manchen Widerstand schon brechen,
Wenn Sie am rechten Ort, zu rechten Zeiten,
Gezielt in das verletzte Lager stechen…

ILSE: Sie meinen echt, das könnte mir gelingen?

EICH: Mit Weiblichkeit allein ists nicht zu machen,
Sie müssen schon mit schärfern Waffen ringen,
Mit schärfsten, ja mit allerschärfsten Sachen…

ILSE: Ich fühle mich, Verzeihung, grad vernommen,
Gestapo auf der andern Straßenseite,
Ich hoff, ich werd noch einmal zu mir kommen.
Vielleicht such ich auch unverhofft das Weite.
Ich denk der Zeit, da ich in meinem Zimmer
Die Mutter wider das Gesetz versteckte,
Und wieder spür ich schamhaft das Geflimmer,
Als schon ein Spatz am Fenstersturz mich schreckte.

EICH: Sie sind ganz nahe dran, ich will es sagen,
Sie sind nicht nur Autorin, klug und fraulich,
Sie sind auch Jüdin, und in diesen Tagen
Ist Widerspruch für Deutsche nicht erbaulich.
Wenn Sie als Opfer Nachdruck ihrem Meinen
Verleihen, wird kein einzger widersprechen,
Es wird für Sie grad wie ein Mißbrauch scheinen,
Die andern fürchtens aber als Verbrechen. (Beide ab.)