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Aus »Hinz und Kunz. Kabale«. Vers 64904 bis 65035 ZWEITER AUFZUG. SECHSTE SZENE Die vorigen, Gertrud. GERTRUD: Schön Abend, ich bin leider arg verspätet, Es ist mir wirklich diesmal mehr als peinlich, Gut, wenn ihr ohne Pause weitertätet, Denn das Intresse ist ganz augenscheinlich. IMKER: Willkommen Gertrud, diese offne Runde, Braucht Disziplin nicht wie beim Militäre, Es stimmt nicht, daß die Neugier uns verwunde, Noch Vielfalt der geringste Nachteil wäre. (Einige lachen. Gedämpft zu Kunz): Die Tochter eines unsrer Professoren, Ein Zeichen, daß die Ignoranz zu Ende, Ich weiß, auch in den etablierten Foren Umdenken wird gefordert und die Wende. KUNZ: Nun denn, so sei vermehrtem Publikume Mein Prosastückchen »Taktik« unterbreitet, Die krumme Antwort fordert bloß das Krumme, Meint mancher, doch es sei der Blick geweitet: Ein Staatsanwalt, mal mehr als sonsthin offen, Ins Mauscheln Einblick gab dem Oberlehrer, Ja, eine Band mit zweifelhaften Stoffen, Die hatte einfach viel zu viel Verehrer. Landauf, landab, die Fans stets auf der Reise, Von Blumenhemden hats nur so gewimmelt, Und das lief ab in der gewohnten Weise Und wurde immer stärker angehimmelt. Nun mehrten sich die Stimmen, zu verbieten Sei der Skandal, dem Bürgerwohl zuwider, Doch weils zur Propaganda braucht die Nieten, So schlug man diesen Plan einstweilen nieder. Wir schickten Photographen in die Scheunen Der Gegend und in alle Schrebergärten, Es waren keine Hunde an den Zäunen, Denn Photos sollten Abscheu rings erhärten. Nun roch der Gegner aber diesen Braten Und gab beim nächsten Lärmen die Parole, Man zeige sich so brav und wohlgeraten, Daß der Spion sich wunde Füße hole. Und in der Tat, selbst in der Bahnhofshalle Kein Mucks und keine Unzucht, keine Scherben, Das ähnelte fast einem Rentnerballe, Und also mußte unser Plan verderben. Erwiesen freilich hat sich mit der Schmiere Die Macht allein der dunklen Auftraggeber, Der Gegner zeigt nur, daß er sich nicht ziere, Zu täuschen über Giftigkeit die Leber. So wurden wir in diesem Fall gezwungen, Auf eine Überführung zu verzichten, Nicht ohne ein Verbot ist es gelungen, Das Leck in unserm Dache abzudichten. PETER: Die Schufte wollen alles rings zerstören, Was uns bedeutsam und die eigne Sache, Sie wollen, daß wir der Partei gehören Und niemand sonst sich noch Gedanken mache. THOMAS: Ja unerheblich, was wir sind und geben, Sie wolln uns alle als Parteisoldaten, Ob frech, ob rücksichtsvoll, wer eignes Leben Beansprucht, wird sofort am Spieß gebraten. ELSA: Ihr meint, der Staatsanwalt in der Geschichte Sei Zyniker und nicht etwa in Nöten, Er sucht die Mittel nur, daß er vernichte, Und will die Seele aller Jugend töten, Doch unbezweifelbar ist, daß der Westen Der Staatsmacht hier nicht freundlich und gewogen, Drum scheints verständlich, daß bei so viel Gästen Sich jemand fragt, was sie wohl angezogen. PETER: Das ist doch klar: Musik, ja pralles Leben, Wir wollen nicht das Funktionärsgeschwafel, Wir wollen uns nach eignem Muster geben, Nicht wies der Lehrer rot schreibt auf die Tafel. THOMAS: Die Liebe zur Musik vom Kalten Krieger? Schlapphüte haben dies gemacht vom Westen? Die Staatsanwälte sind nie Überflieger, Doch dieser Witz ist einer von den besten. GERTRUD: Hast du dich, Thomas, je gefragt, weswegen Kein Mensch mehr singt wie früher bei der Ernte? Warum, man nennt es Tanz, wir uns bewegen Auf Arten, draus man Tradition entfernte? Der Rock ’n’ Roll kommt aus dem Land der Büffel, Hast du dich je gefragt, auf welchem Schiffe? Und eh ich krieg von links und rechts die Rüffel, Frag ich euch nur, ob jemand hier begriffe, Welch ungeheure Kosten nicht zu scheuen Gewesen, daß es möglich und gelungen, Europa den Musiksinn zu erneuen, Daß er den letzten Winkel noch durchdrungen. Daß tausend Heulen dudeln jede Stunde, Brauchts nicht nur Strom und Studios und Agenten, Daß eine Mode sei in aller Munde Und dies sogar im Stacheldraht-Getrennten, Bedarf des Kapitals in solchem Maße, Dies wächst gewiß nicht in Studentenbuden. Dies haben nicht die Hippies auf der Straße, Das haben in Neuengland bloß die Juden. KUNZ: Wir diskutieren offen und geduldig Mit jeder Meinung, tolerant und offen, Doch bleiben wir den toten Opfern schuldig, Daß niemand tret ihr Weinen und ihr Hoffen. In Deutschland wurden in dem letzte Kriege Gut sechs Millionen Juden abgeschlachtet, Die Alliierten hinderten im Siege Euch dran, daß ihr da fröhlich weitermachtet. Der Führer und mit ihm die wilde Meute Sie schrieen, Inflation und Wirtschaftskrise Geschahn, weil Staat und Zeitung Judenbeute, Und wir das Gras auf dieser Schnitter Wiese. Obwohl man weiß, der erste Weltkrieg flammte Allein aus deutschem Expansionsbestreben, Log Hitler, daß er von den Juden stammte, Die zögen wider alles Volk und Leben. Wer diese Argumente, die nur Phrasen, Heut wiederholt, der billigt die Verbrechen, Der fordert auf zur Jagd, wie nach den Hasen, Und projiziert in andre seine Schwächen. IMKER: Ich bin entsetzt, daß hier in der Gemeinde So furchtbar Böses ward gedacht, gesprochen, Die Drachensaat vom ärgsten Menschenfeinde Hat unsern frohen Leserkreis zerbrochen. KUNZ: Mich wunderts nicht. Im stalinschen Gewande Baut Hitler munter weiter Krematorien, Dies ist der wahre Kern von diesem Lande Und allgemein von Ulbrichts Provisorien. Wehrunterricht, der schon im Kindergarten Die Leute drillt, nach Westen zu marschieren, Zeigt allzu deutlich, was da zu erwarten, Und was in Prag man wollte ausprobieren. Einst schrie man Zion, heut sinds Blumenhemden, Die Sündenböcke brauchen Diktaturen. Wer arglos träumt, den macht der Staat zum Fremden, Bis Züge dann zur Gasvernichtung fuhren. Drum Leute stellt die Nazis und Rassisten Und kämpft mit ganzer Kraft für Menschenrechte, Ansonsten holt den Freigeist wie den Christen Die braune Suppe als das ewig Schlechte. (Alle außer Imker ab.) |