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Aus »Anna Luise. Trauerspiel«.   Vers 63714 bis 63813

DRITTER AUFZUG. FÜNFTE SZENE


Anna Luise, später Artz und Malve.

ANNA LUISE: Mir reichts, ich lösch das Licht und werde schlafen,
Kein lautes Klopfen kann mich dann noch wecken,
Nicht daß sich weitre brüsten, wen sie trafen
Und Fragen stelln zu selbstgerechten Zwecken.
(Sie löscht das Licht. Eine Weile ist Stille, dann wird es langsam hell. Von der Straße ertönt die Melodie der DDR-Hymne.)

ANNA LUISE (noch etwas schläfrig):
Da singen sie vom neuen Auferstehen
Und wolln die Auferstehung niemals glauben,
Sie können die Metaphern nur verdrehen,
Doch Fremdes bleibts, was sie zusammenklauben.
Der Sozialismus – Ismen, immer wieder,
Was kommt, wenn alle Feinde totgeschlagen?
Stieg wirklich je der große Wohlstand nieder,
Man würde rings die Langeweil beklagen.
Der Neid scheint mir als Laster höchst verderblich,
Er raubt dem Klügsten die Vernunft und Sinne,
Jedoch der Teufel ist wie Gott unsterblich,
Obgleich so viele beider nicht mehr inne.

MALVE (mit Artz auftretend):
Gut Morgen, Durchlaucht, habt Ihr gut geschlafen,
Ich bringe gleich den Tee mit Lindenblüten,
Die Straße will die Träume Lügen strafen,
Da ists das beste, hier das Bett zu hüten.

ANNA LUISE: Ich denk bei deinem Namen stets des Krautes,
Das mich erfreut so oft mit lila Blüten,
Am Wegrand ists ein unverhofft geschautes,
Das sich behauptet noch im Abgebrühten.
Ja, wo der Boden schadhaft und beschnitten,
Und kaum ein Blüher wagt ihn zu beblumen,
Hat sich die Malve oft das Licht erstritten
Und zeugt uns für die Heiligkeit der Krumen.

ARTZ: Sehr lieb habt Ihr mein Augenlicht beschrieben,
Sie weiß sogar zu blühn in meiner Pranke.
Ich werde sie auf allen Wegen lieben
Und nie vergessen, was ich ihr verdanke.

ANNA LUISE: Die Liebe kann ein Unrecht niemals heißen,
Kommt sie von Herzen und besteht bei Tage,
Verzeiht, ich hätt bei Jenny mir verbeißen
Wohl solln, was ich gewiß nicht nochmal sage.
Mein Günther war verschlossen und oft düster,
Er konnt mich nicht mit Leidenschaft verwöhnen,
Mir hätt er damals, wär er sinnenwüster,
Auch nicht getaugt, er bleibt mir in der schönen
Erinnerung als Mann von Sorg und Mühe,
Der rücksichtsvoll und teilnahmsreich war immer.
Er war schon tot, als uns die braune Brühe
Reinschwappte in die sonnenhellen Zimmer.
Er muß auch nicht erleben und erleiden,
Daß von den Roten nun die Radikalen
Sich an dem Niedergang des Adels weiden
Und schaurige Geschichten von uns malen.

MALVE (den Tee bringend):
Ihr seid für mich wie eine kranke Mutter.
Ach dürftet Ihrs dem Lande wieder werden!
Hier wird, was schon kaputt ist, noch kaputter,
Ein neuer Krieg scheint denkbar schon auf Erden.
Der neuen Waffe, die in Japan zeugte
Für Teufelein, die Frühere nicht kannten,
Sucht mancher, den das Schicksal noch nicht beugte,
Zu schaffen noch verrücktere Verwandten.
Man sucht die Kraft der Sonne zu kopieren,
Um stärkere Zerstörung zu erreichen,
Die Erde soll ihr grünes Kleid verlieren,
Und wüstenhaft dem toten Monde gleichen.

ARTZ: Dem Schrecken, den uns Wirklichkeit verpaßte,
Ist auch der Geist gefällig und beflissen,
Ihr hattet gestern später wen zu Gaste –
Wollt Ihr von seinen Impressionen wissen?
(Er wedelt mit dem »Thüringer Wort«)

ANNA LUISE: Ein Emigrant mit schlechter Kinderstube,
Er sagte mir, wir wären schuld an Hitler,
Er wünschte alle Junker in die Grube,
Verschont allein die Scribbler und die Krittler.

ARTZ: Er überschreibts mit »Durchlaucht hat Migräne«.

ANNA LUISE: Dies ist ein Unsinn und gemeine Lüge.

ARTZ: Er meint des Dünkels standgemäße Träne
Sich trefflich zu der schlechten Haltung füge.

ANNA LUISE: Ich lag da halb nach ärztlichem Rezepte,
Um meinen Rücken, der erkrankt, zu schonen,
Als ich mich, als Ihr gingt, zum Sofa schleppte,
Sah ich beschämt, daß Motten darin wohnen.

ARTZ: Er schreibt von fürstlich-luxuriöser Stätte,
Auch daß Euch huldigt Arzt und Apotheker,
Ob Pfarrer, Stadtrat oder Ladenkette,
Sie sammeln für ein Standbild von Herrn Breker.
Man spielt Sonaten hier und tanzt Quadrillen,
Und am Büffet wär Göring satt geworden,
Man brüstet sich mit ausgefallnen Grillen,
Und gerne auch mit Kaiser-Wilhelms-Orden.
Man faselt von der Renaissance der Stände,
Und tut, als ob das ganze Land gefügig,
Und klatscht die Fürstin zweimal in die Hände,
Entleert sich auch der große Saal ganz zügig.

ANNA LUISE: So einem es an Phantasie nicht mangelt,
Auch las er reihenweise Schundromane,
Wer so gekonnt nach der Parteigunst hangelt,
Paßt wunderbar zum Geist der roten Fahne.
Wir wollen nun das Schmierenstück beenden,
Denn einen Helden gibts hier nicht zu feiern,
Schon vor dem Tod umwuchern mich Legenden
Und Moritaten darf der Bettler leiern.
Doch stehn im Land von Goethe, Bach und Luther
Noch Leut, die sich zu gut für das Gemunkel,
Die wissen auch, daß ich die Schmerzensmutter,
Die bald der Gatte ruft ins Grabesdunkel.