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Aus »Der Seerosenritter«. Gedichte 1990 Vers 4521 bis 4808 DIE SEESCHLANGE Sag, Ritter und Rufer Auf Suche und Fahrt, Ob Nebel am Ufer Dein Wappen bewahrt? Du fandest zu Jahren, Doch niemals das Tal, Die Burg der Gefahren Den heiligen Gral. Der Frieden verbrauchte Die Zwölfzahl, die Gunst, Das Heiligtum tauchte Ins Traumreich der Kunst, Doch suchen, so bitter Geschlagen, noch weit Die fahrenden Ritter Das Heil in der Zeit. Du folgtest den Worten Des Königs, des Herrn, Er wies mit verdorrten Gelenken den Stern, Der Seerosenritter Nur heile sein Herz, Er zöge den Splitter Von glühendem Erz. Nicht deutet die Auren Lombardisches Meer, Nicht wissen die Mauren Verlorenen Speer, Von Gipfeln und Plätzen Vertrieb dich das Wort, Die Segel zu setzen An Ibrahims Port. Was Händler und Fürsten Am indischen Strand Erhoffen, erdürsten, Erscheint dir als Tand, Mit ihnen zu reisen, Bereitet dir Pein, Doch einer sang Weisen Von Liebe und Wein. Er sang dir von Tränken, Dem Träumenden hold, Von Pflanzen-Geschenken, Begehrter als Gold, Der Alte vom Berge Den höchsten gewann, Ihm wurde ein Scherge, Wer kostet daran. Was je die Legende An Glück dir verhieß, Die Lust ohne Ende, Das Traum-Paradies Gewannen Adepten, Zur Rückkehr ins Tal Erschlugen, verschleppten Sie, wen er befahl. Die Lieder, die Reime, Verstanden nur kaum, Sie wurden dir Keime Für tieferen Traum, In weiteren Fluten, Im Wind, der dich striff, Arabische Gluten Entsanken dem Schiff. Kein Felsen verriegelt, Was sein wird und war, Das Himmelsblau spiegelt Sich rein offenbar, Passat, der dich streichelt, Gedankenentrückt, Und Hoffnung, die schmeichelt, Daß alles noch glückt. Doch abends am Feuer Sprach einer von Sturm, Vom Seeungeheuer, Dem mächtigen Wurm, Erröteter Wange Erhebt er das Wort Vom Walten der Schlange Im blaudunklen Hort. Mit mächtigen Schleifen Umschlang sie den Kahn, Was lebt, zu ergreifen, Die Mannschaft, im Wahn Erstarrt und ertrunken Im Strudel, im Schacht, Im Schiff, das versunken Zu ewiger Nacht. Er donnert die Sagen, Die Runde erbebt, Und keiner wird fragen, Wie er überlebt, Die Narben gewähren, Verbranntes Gesicht, Die Mythen, die Mären Bestreitest du nicht. Du möchtest erzählen, Wer du bist, was dein, Die Traumhäute schälen, Den Schleier, den Schein, Doch dürftest du brechen Die Eide von Stahl, Du könntest nicht sprechen, Nicht, wer ist der Gral. Doch möglich, der andern Erzählungen, alt, Berichten dein Wandern, Die Spiegelgestalt, Vielleicht bist du keiner, Der Meere befährt, Der Suchenden einer, Der nirgendwo währt. Und bist du an Zielen Zum Hiersein versucht, So hast du die vielen Zu Träumen verbucht, Du deutest die Zeichen, Du führst sie im Kreis, Und wen sie erreichen, Beschloß dein Geheiß. Die Nächte gewinnen, Die Sonne versinkt, Nun sag, ist es innen, Wo Jupiter blinkt? Die Schaumkrone führte Den babelschen Turm, Und jedermann spürte Das Beben im Sturm. Die Wolken verhängen Die Augen der Nacht, Die Weiser, zu Längen Und Breiten gedacht, Die Fahrenden irren, Der Zeichen entblößt, In Rätseln, in wirren, Die niemand mehr löst. Und du, der so lange Die Worte gespart, Vermutest die Schlange Als Kurs unsrer Fahrt. Dir antworten Blicke Und Kehlen, verdorrt, Am besten, man schicke Dich rasch über Bord. Vielleicht sind die Tode Dein ewiges Mal, Verschieden nach Mode, Geschmack, Ritual, Der Wandel der Zeiten Verändert den Sinn, Den Tiger zu reiten Nach nirgendwohin. Der nächste Tag brachte Die Sonne zurück, Und jedermann lachte Und weinte vor Glück, Als ob sie sich brüste Mit reichestem Lehn, Indianische Küste Lag, unweit zu sehn. An Möwen verfüttert Man Brot, lacht dabei, Doch plötzlich erschüttert Ein furchtbarer Schrei Den Mittag: die Schlange! Dann Schweigen im Boot, Gebrochen und bange Schaut jeder den Tod. Und Lehnsherr und Knappe, Was Augen hat, gafft, Mit Herzen von Pappe, Mit Gliedern, erschlafft, Auf Kurven und Schleifen In windstiller See, Sie knurren und keifen, Ein Wunder gescheh. Ein Schnattern, ein Pfeifen, Ein wildes Gemisch Von Lauten, sie streifen Die See mit Gezisch, Dann wieder ein Kichern, Und abtaucht das Braun, Als wollt wer versichern, Du seiest zu schaun. Und wilder die Reifen Der Kette sich drehn, Die Wogen zu steifen, Die Fahrenden sehn Die Wasserfiguren Urweltlich, urfrüh, Ein Spiel und die Spuren Aus Tanz und Gesprüh. Die Schleifen, die Laute, Die Wogen, der Schaum, Sie sind dir vertraute Aus kindlichem Traum, Du bittest die Starren Um Ruder und Boot, Sie geben dem Narren Und grüßen den Tod. Mit leisesten Schlägen Durchfurchst du die Flut, Als wolltest du wägen, Was unter dir ruht. Doch wie du dem Reigen Dich näherst, wird klar Die See, und ein Schweigen Verheimlicht, was war. So gehst du zur Rüste Auf winzigem Riff, Die sichere Küste Erreichte das Schiff, Du hast sie verlassen Und stellst dich allein, Die Botschaft zu fassen, Die Schale, den Stein. Die Stunden verrinnen, Die Sonne entsank, Was außen, wird innen, Was Groll war, wird Dank Und Rauschen Gestotter Und Pfeifen Gezisch, Da reicht dir ein Otter Dein Abendmahl: Fisch. Er reckt sich in Würde, Zeigt Silber im Pelz, Die trennende Hürde Verflog euch am Fels, Du spürst seine Trauer, Vertrautes Gelall, Der Seewind wird rauher, Verdunkelt das All. Er schlägt auf die Schale Der Muschel, sie platz, Die Wunder bezahle Mit kostbarem Schatz, Du sollst ihn bewachen In Tagen der Welt, Bevor er dem Drachen Am Ende verfällt. Du ahndest den Schimmer, Das schwache Geleucht, Bevor dir für immer Dein Ferge entfleucht, Du trägst deine Perle Durch Donner und Sturm Zum Ufer, wo Kerle Erzählen vom Wurm. Und wie dir der Spender Für immer verlorn, Erhelln sich die Ränder Des Urtraums, erkorn Vom schlafenden Gotte In silberner Furt, Dem Mond in der Grotte Bei deiner Geburt. Der Otter, der Fänger In Spiel und Gefahr, Dir Traum-Wiedergänger, Dir Totemtier war, Er reichte den Kiesel, Du trägst ihn am Hals Und gleichst ihm als Wiesel Im schäumenden Salz. Du hast dich umrundet, Du wohntest dir bei, Der König, verwundert, Zwar gab dich nicht frei, Doch ob du ihn fändest, Ob jemals das Tal, Sorg er, denn du sendest Den heiligen Gral. Der Alte vom Berge Nutzt Liebreiz und Lust, Doch was dir dein Ferge Im Herzen bewußt, Birgt stärkere Tränke Und schärfere Wehr Als Zauber und Ränke, Verlorener Speer. Man wird dir erzählen Vom Tod, der ihn griff, Die Gralssucher wählen Die Pferde, das Schiff, Doch keiner sei Dritter Dir, Himmel und Saal, Dir, Seerosenritter, Dir, heiliger Gral. |