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Aus »Engelhard. Treuepistel«.   Vers 59241 bis 59341

ERSTER AUFZUG. SECHSTE SZENE


Engelhard, Dietrich, Engeltrud, Oda.

ENGELTRUD (zu Oda):
Schau, Oda sieh! Die Recken dort zu Pferde!

ODA (unwirsch):
Ruft nicht so laut, es ist dem Rufe schädlich!

ENGELTRUD: Ich schlag die Lider ja schon bis zur Erde,
Denn zu viel sehen, ist gewiß nicht rätlich.

ODA: Mir scheint, ihr habt schon viel zu viel geschauet!
Wir wollen gehn. Die Fremden sind gefährlich.

ENGELTRUD: Wer allerweilen nur dem Herren trauet,
Der findet Furcht und Vorbehalt entbehrlich.
Schau hin, sie kommen graden Wegs gegangen,
Sie sind so ähnlich sich wie Zwillingsbrüder.
Unhöflich wärs, entschlüpften wir wie Schlangen...

ODA: Die Schlange ist doch nur ein Kopf der Hyder!

DIETRICH: Ich grüß die Damen artig und will meinen,
Sie seien tonangebend im Gelände,
Nach langem Ritt sind wir ganz fern dem Reinen,
Wir wüschen uns ganz gerne Kopf und Hände.

ODA: O leider überfragt in diesem Falle,
Wir sind hier selber, ja, im Grunde – Gäste,
Zum Vogte führt die Pforte vorn am Walle,
Ihr fragt erneut – das ist gewiß das beste.

ENGELHARD: Mein Bruder ging gewiß nicht fehl, vermeindend,
Die Damen stünden höher als Verwalter,
Die Sonne, sanft im Lindenschatten scheinend,
Weiß wohl, der Adel braucht kein Mindestalter.

ODA: Wir können, meine Herren, hier nicht dienen.
Wir sind vom Hof und kurz nur auf der Straße.

ENGELHARD: Ein Dienst wird nicht verlangt von Melusinen,
Die Nähe schon freut über alle Maße.

ENGELTRUD: Ich, Engeltrud, bin Tochter Frodelindes
Sowie Fruotes, der im Land der erste,
Und Melusine paßt auf ein Geschwindes
Am Gehn, fragt man nach Hafer oder Gerste.
(Mit Oda ab.)

DIETRICH: Recht schnippisch, aber allerweil nicht schweigend!
Du trafst ins Schwarze, wenn ich mich nicht irre.
Solch eine Frau – und gleich Erregung zeigend . . .

ENGELHARD: Sie redete von Gerste ziemlich wirre.

DIETRICH: Das Stammeln zeigt, daß Amors Pfeil getroffen.
Du wirst am Hof gewiß sie kennenlernen.

ENGELHARD: Ich darf zuallerletzt hier etwas hoffen.

DIETRICH: Die Liebe greift erfolgreich nach den Sternen.

ENGELHARD: So meint sie selbst! Ich aber weiß es besser,
Die Königstochter und ein armer Ritter,
Das ist ein Märchen wie die Lotosesser,
Und wer es glaubt, erfährt die Fabel bitter.
Und wieso ich? Wir sind doch zum Verwechseln?
Und dein Geblüt ist herzoglich, viel hehrer.
Du solltest mir kein Phantasieschloß drechseln,
Das macht mir das Verzichten doch nur schwerer.

DIETRICH: O ja, wir gleichen uns in jeder Weise,
Doch recht verschieden lauten unsre Namen,
Sag ihren und dann deinen einmal leise.
Dich wird sie nehmen. Und nun aus und Amen.

ENGELHARD: Der Name, wie? Sind Namen nicht im Winde
Nur Blätter, die der Herbst riß von den Bäumen?

DIETRICH: Den Namen wählt uns jener, der die Linde
Hat aufgestellt, daß wir im Schatten träumen.
Er einte uns bei seinem Abendmahle,
Gibt das Gefühl, das wir die Freundschaft nennen.
Er wonnigt Mai und gibt November Fahle
Und reckt den Weiser, unsern Weg zu trennen.
Das Reiseziel ist nah, ich werde scheiden.
Vergib mir, denn ich konnts nicht früher sagen!
Als wir im Kloster ruhten bei den Weiden,
Kam nachts zu mir ein herzoglicher Wagen.
Der Bote mußte innerst mich betrüben.
Mein Vater starb. Ich muß die Lande führen.
Es fiel mir schwer, mich in Geduld zu üben,
Bis wir den Boden Dänemarks berühren.

ENGELHARD: Wie, wie? O weh! Du willst das Band zerschneiden?
Das heilige des Bluts in der Kapelle?

DIETRICH: O nein! Was erzen ist, nicht etwa seiden,
Zertrennt kein Wurm und keines Messers Schnelle.

ENGELHARD: Wie kannst du dann das Bruderherz verlassen?
Und das, um schnöde Politik zu machen?

DIETRICH: Hör auf, die Welt als einen Trug zu hassen.
Das Dauern eines Marmors macht mich lachen,
Bestehen kann doch einzig, was lebendig
Und wächst und sich erneuert und verwandelt.
Was wär ein Bruderbund, der nur beständig
Als wechselseitge Spiegel-Dopplung handelt?
Wir werden nie uns lassen, aber jeder
Tret in sein Los, bewähre sich und wachse!
Wo du auch fichst, durch jedes Sattelleder
Geht immer noch die unsichtbare Achse.
Der Bruder hat stets teil an Not und Freude
Und zieht so wie ein Adler seine Kreise,
Er fragt niemals, was er darob vergeude,
Stößt er, ein Punkt, auch leibhaft in die Schneise.

ENGELHARD: Dies also schuf die Ehre mir, die Holde,
Als namentlich Verbürgte zu betrachten!

DIETRICH: Der Leidgeprüfte hadre nicht am Golde!
Und alle Treue muß das Eigne achten!

ENGELHARD: Wann muß du fahrn?

DIETRICH:               Ich hab noch ein paar Tage.
Das mit dem Waschen war doch keine Finte.
Ich glaub, der Ort hier schafft uns keine Klage,
Wir finden sicher hier uns Wohlgesinnte.

ENGELHARD: So wollen wir uns das Quartier besorgen,
Zur Kirche gehen und um Beistand flehen,
Und eine Jagd erbitt ich mir für morgen,
Der Bogen will die Pfeile fliegen sehen.