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Aus »Siegfrieds Tod. Trauerspiel«. Vers 57527 bis 57626 ERSTER AUFZUG. ERSTE SZENE Eine Brandrode im Wald, vorn ein mächtiger schwarzer Baumstamm, der einen See staut. Darin sitzt Siegfried so, daß man den nackten Oberkörper sehen kann. Auf dem Rücken das Lindenblatt. Im Hintergrund über die ganze Breitseite die Leiche des Lindwurms, faltig und zusammengefallen wirkend, als sei ihr eine riesige Menge Blut entflossen. Im Verlaufe des Monologs wird es immer dunkler, dann erscheint hell angeleuchtet Siglinde auf dem toten Lindwurm stehend. Ihr langes Kleid ist so weiß wie ihre Haare. Die Ärmel sind so lang, daß man beim Gestikulieren keine Hände sieht. Siegfried, Siglinde. SIEGFRIED: Die Sonne sinkt. Der Herbst tritt in die Haine. Ich tats, nun muß ich selber wohl versiechen, Von außen und von innen starke Weine, Ich mag nur tiefer in das Dunkel kriechen. Bin ich erschöpft von diesem Strauß? Ach nimmer Hat mir das Herz so wonniglich geblutet, Erinnerung und Plan? Da ist kein Schimmer Von Wollen, das sich zur Vollendung sputet. Ist dies der Tod? Der Mutterschoß der Erde? Hab ich mich selbst mit diesem Feind gerichtet? Ich hör nicht mehr das Horn des Morgens: Werde, Die Nacht hat dürre Reiser aufgeschichtet, Sie nimmt mich ganz zur Beute und zum Weibe, Ihr Balsam duftet frisch nach Lindenblüten, Ich frag mich nicht mehr, wo ich bin und bleibe, Fremd sind mir die Gedanken, die sich mühten. Ein Knäul ists, wollig und nicht zu entzausen, Es führt den Helden nicht aus diesem Horte, Und hört ich gar den Wind am Ausgang brausen, Ich hätt nicht Kraft der Klinke dieser Pforte. Ich bin am Ziel. Ein Reisender im Hafen, Am Kai vertäut mein abgewrackter Kutter. Ich irrte lang und möchte endlich schlafen, Denn tief im Traum erwartet mich die Mutter. SIGLINDE: Ich bin wie stets bei dir, mein holder Knabe, Ich leuchte dir durch alle Höllenschlünde, Was dich umgreint, es haust in meiner Wabe Und spricht vom Blut, drein alle Lichtscheu münde. SIEGFRIED: Ach Mutter, die ich niemals traf auf Erden, Was hast du mir für Wege aufgetragen? Statt daß ich wie ein Hirt mit seinen Herden Bloß glücklich sei und haßte alles Wagen? SIGLINDE: Die Unruh ist nicht mütterliches Erbe, Auch nicht des Bruders, der mich sanft berührte, Denn Wotans Speer, der sorgte, daß ich sterbe, Schuf auch die Lust, die mich zu dir verführte. Ich seh mit Freuden deine starken Arme, Dein Tun und Träumen sind mir Augenweide, Ich hoffe, daß der Herr sich dein erbarme, Doch böser Rausch klebt manchmal am Getreide. SIEGFRIED: Du sagst mir, Selige, vom Mutterkorne, Doch scheints mir, daß ein andres Kraut mich leitet, Nichts weiß ich von beserkerhaftem Zorne, Ich spüre eher, wie das Herz sich weitet, Grad so, als sagte es dem Speer des Schurken: Das Linde wird kein Drachenschild beschützen, Dies ist, als wüchsen Bohnen aus zu Gurken, Und weiche Stellen dehnten sich zu Pfützen. SIGLINDE: Dies ist nur eine Stunde, daß du heller Erkennen mögest, was dich bannt und bindet, Ich goß dir niemals Grütze auf den Teller, Doch dies wird tun, die das Erwachen findet. SIEGFRIED: Sag bitte, bist du bei den Engelschören, Im Garten, wo nicht Tag und Freude weichen, Kannst du der Sterne Schöpfungsfrühe hören, Und fandst den Bruder, dem die Augen gleichen? SIGLINDE: Ich leide nicht, allein um dich die Sorge Ist der Erlösung mauerstarke Hürde, Ich mag nicht, daß ich mir das Heil erborge Um Zins, daß ich dich ganz verlieren würde. SIEGFRIED: Was sorgst du dich? Ich ging heut früh zur Beichte, Der Herr Kaplan sprach frei von allem Laster, Wenn mich der Senser grad zur Stund erreichte, Verfiel der Kirche auch der Drachenzaster. SIGLINDE: Wohl hat man dich zur Gottesfurcht erzogen, Doch Asen, die im Banne Würfel werfen, Sie haben dich ums Mutterherz betrogen, Um Baldung mit dem Rächerhaß zu schärfen. Drum glaube nie, die Zeichen recht zu deuten, Die Wahrheit ist allein im Herz zu finden, Du sollst nicht Thron und Siegerkranz erbeuten, Doch sollst du dich der Liebe selbst verbinden. SIEGFRIED: Ich bin der Liebe voll zu dir alleine Und sehn mich nur zurück zu deinem Borne, Die Vogelstimmen sagten mir im Haine, Das Bad geb, daß die Haut mir ganz verhorne. SIGLINDE: Dies sei nicht deine Sorg, wo eine Mauer Ist immer auch, ob weit, ob eng, die Pforte, Sei nicht der Narr, der Zauberkraft-Vertrauer, Bedenke immer meine letzten Worte. Und sagt die Not, ich weiß gewiß nicht weiter, Du findest mich im Schatten jeder Linde, Doch trenn dich dabei erst von jedem Streiter, Und auch am Quell begleit dich kein Gesinde. (Ab. Es wird hell. Siegfried reibt sich die Augen.) SIEGFRIED: Sie sprach allein am Quell und unter Linden Und prophezeite mir die Lieb in Bälde. Da frag ich mich: wie sollt ein Weib mich finden? Dies ist kein Fest, ich stehe nackt im Felde! (Man hört knackende Äste.) Was da? Ein Wild? Ich habe Bärenhunger, War auch der Wurm ein Appetitvernichter, Der Magen sagt, wenn ich hier weiterlunger, So seh ich bald im Kreis die Albenlichter. Ein Truthahn, ein Kaninchen, eine Katze Sogar der Schwan fänd vor dem Pfeil nicht Gnade, Der Hunger ist gewiß die ärgste Fratze Und gönnt die Führung keiner andern Frage. Drum auf! Hier war gewiß schon lang kein Jäger. Der Wald ist reich, der Sehne juckts zu sirren, Ich habe keinen Mundschenk, keinen Träger, Drum muß ich selber mein Gedärm entwirren. (Ab.) |