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Aus »Musendämmerung. Tragödie«.   Vers 54457 bis 54532

ERSTER AUFZUG. FÜNFTE SZENE


Orest, Scholastikos.

OREST: Willkommen Mann der Weisheit und Bewahrung,
Ihr schreibt uns die Geschichte unsrer Tage.
Doch glaubt mir, denn ich spreche aus Erfahrung,
Dem Mittendrin sind sie die reinste Plage.

SCHOLASTIKOS: Die Wege Gottes sind nicht zu durchschauen,
Vielleicht ist endlich nah das Weltenende,
Ich hoffe sehr, euch trügt nicht das Vertrauen,
Daß ich den Schlüssel zur Versöhnung fände.

OREST: Mit großer Klugheit habt ihr gleich erraten,
Wonach mir Sinn, als ich euch hab gerufen,
Ihr seid ein Mann der Worte, nicht der Taten,
Doch erstes schafft zu letzterem die Stufen.

SCHOLASTIKOS: Die Worte – aber was sie uns bedeuten,
Da streiten die Gelehrten und die Väter,
Die hüten solln, sie allesamt verstreuten,
Und niemand glaubt, die Einsicht käme später.

OREST: Mir scheint, ihr seid verzagter als der Krieger,
Der außer seinem Geist noch traut der Waffe,
Einst hörte ich, ihr wärt ein Himmelsflieger,
Der einem Sperling selbst die Einsicht schaffe.

SCHOLASTIKOS: Origines, geborn in Alexanders
Berühmter Stadt, hat Platon und die Bibel
Gelehrt und dann am Ende des Gewanders,
Martyrium heiß an seinem Haus der Giebel.
Weil der Versuch, im Denken Gottes Größe
Sich anzunähern, nistet nah am Wahne,
So fiel sein Same in verschiedne Schöße,
War feil schon in Nikäa jeder Fahne.
Als Letztversuch, in Einheit zu begreifen
Das Griechentum und des Erlösers Leiden,
Versteh ich ihn, bis Thesen sich versteifen,
Die niemals überbrücken, sondern scheiden.
Im allgemeinen Streit, ward zum Chronisten
Mein kleines Los und sucht nicht zu gestalten.
O täuscht euch nicht, die Heiden wie die Christen
Sind einst so fern wie heute uns die Alten.

OREST: So laßt ihr ohne Rat den müden Ringer,
Zwei Heidenkrieger habe ich im Turme,
Sie legen in die Wunden ihre Finger,
Und im Verhöre gleiche ich dem Wurme.
Sie pönen, daß die Kunst so reicher Zeiten
Der Pöbel uns in Christi Nam zerstöre,
Es ist nicht not, das Thema auszubreiten,
Denn fraglos, daß der Wahrheit es gehöre.
Doch ihr Reflex, die Frevler zu bestrafen,
Schafft böses Blut und neue Bilderstürme,
Grad so wie eine Seuche tobt bei Schafen,
Am Ende gibt es nicht genügend Türme.
Ich dachte mir, wär Mäßigung zu finden
Den einen, würden auch die andern milder,
Nur dieser Weg vermags zu unterbinden,
Daß man die Säulen stürzt und alle Bilder.

SCHOLASTIKOS: Eur Wunsch erscheint mir nobel, aber leider
Bin ich der rechte nicht, dies zu bestellen,
Einfühlungskraft dem Mechanismus beider
Partein müßt sich dem Überblick gesellen.
Ihr kanntet Theon doch, den großen Denker,
Die Tochter führt sein Werk in bester Reife,
Sie hat den Schneid, der jedem Ordnungskränker
Entpuppte sich als Wasserfaß und Seife.

OREST: Unmöglich, daß nach aller Männer Zagen,
Die Frauenanmut schlüg die Feindesschiffe,
Mir ists beim Rat, den ihr mir angetragen,
Als ob ich nach Verzweiflungsankern griffe.

SCHOLASTIKOS: Sie sprach vor Feldherrn, Fürsten und Verwaltern
Und im Museion herrscht sie unbestritten,
Sie eint die Weisheit heut aus allen Altern,
Und wenn ihr wollt, so werde ich sie bitten.

OREST: Ich werde diese Probe nicht verhindern,
Doch ohne mich, ich gehe jetzt zu Bette,
Vermag sie es, die Angriffslust zu mindern
Den Herren, ist mir gleich die Etikette.
Ich geb Befehl, daß alles werd bereitet,
Ihr sagt der Frau, sie trage Mut im Nacken,
Und auch, es gilt, wenn sie zur Sitzung schreitet,
Den Stier gleich bei den Hörnern anzupacken.