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Aus »Orpheus. Tragödie«.   Vers 54024 bis 54123

DRITTER AUFZUG. SECHSTE SZENE


Orpheus, Mänaden.

ERSTE MÄNADE: Sieh einer an! Und heute Wolkengucker?

ZWEITE: Ich glaube ehr, es ist ein schwerer Kater.

DRITTE: Doch Augen hat er wie ein Feuerspucker!

VIERTE: Er sinnt vielleicht darüber, wer sein Vater.

ERSTE: Vielleicht ist das Gehör mit Harz verkrustet.

ZWEITE: Er träumt vom Weine in Gigantenkrügen.

DRITTE: Der hat gewiß noch gestern Blut gehustet.

VIERTE: So langsam muß die Ruhe doch genügen!

FÜNFTE (mit einem Krug Wein):
Ich mein, ein bißchen wird gewiß nicht schaden,
Den Träumer von den Träumen aufzuwecken!

ERSTE: Flöß dus ihm ein, ich halt derweil die Waden,
Daß er nicht tobt, wenn wir ihn so erschrecken.
(Sie machen sich an ihm zu schaffen.)

ORPHEUS: Was geht hier vor? Was habe ich zu schaffen
Mit euch, die ihr mich stört in meinem Sinnen?
Ich mags nicht, wenn mich Fremde so begaffen,
Was wollt ihr mit dem Gürtel denn beginnen?

ZWEITE MÄNADE: Vielleicht dich hängen? Dorten an der Schöpfe?
Ists üblich nicht, daß man auf offnem Markte
Die Opferlämmer striegelte und köpfte
Und dann das Blut in Blumenbeete harkte?

ORPHEUS: Ein Opferlamm? Vergeht euch nicht am Prinzen!
Der König wird die Stadt euch niederbrennen,
Verwechselt nicht den Schierling mit den Minzen,
Ihr solltet wahrlich eure Herrschaft kennen.

DRITTE MÄNADE: Was heißt hier Herrschaft? Diese Impotenten?
Das Königshaus stirbt aus, ganz ohne Frage.
Der Demos dann beschließt uns Brot und Renten
Und führt auch wider freche Buben Klage.

ORPHEUS: Die Weiber hier in Aufruhr! Ja, beim Hades,
Ich sage euch, ihr werdet es bereuen,
Zählt ihr erst die Umdrehungen des Rades,
Derweil sich Köter auf die Knochen freuen.

VIERTE MÄNADE: Nun machs mal halblang! etwas Spaß verstehen,
Muß selbst der Bub, der ganz vom Hof verdorben,
Verboten ist es nicht, zum Spiel zu gehen,
Die Menschheit wär auch sonst schon ausgestorben.

ORPHEUS: Ihr mögt zum Weine gehen und zu Spielen,
Allein mich selbst laßt ihr gefälligst ziehen,
Sucht einen euch von jenen viel zu vielen,
Die euch die Gosse zum Genuß gespieen.

FÜNFTE MÄNADE: Er schmäht den Wein und ebenso die Frauen!
Dies heißt die Götter leugnen und verachten!

ERSTE: Dem guten Wein wir auch alleine trauen,
Und jeden Mann wir noch zur Mannheit brachten!

ORPHEUS: Ihr scheint mir toll! Man wir euch bald bemerken
Und richten euer Treiben mit dem Schwerte!

ZWEITE MÄNADE: Ein Knebel dient seit je den guten Werken!
Er sorgt recht gut, daß keiner uns bemerke!

ORPHEUS: So habt doch Einsehn! Eine schwere Sünde
Ist schon allein, der Unzucht so frönen,
Doch wenn Gewalt dabei als Mittel stünde,
Kann nur der Henker euch dem Staat versöhnen.
(Er entrinnt kurz, bekommt einen Stein zu fassen.)
Nun wehe euch! Kann das Gesetz nicht schrecken,
So tuts der Stein. Wer sucht, mich anzufassen,
Der soll das Blut in seinem Munde schmecken,
Die Waffe wird das Ziel nicht leicht verpassen.

DRITTE MÄNADE: Er rast! Wie geil! Ich steh auf solche Stiere.
Gib her den Wein! Eh Blut fließt, muß er rinnen!

VIERTE: Nicht unverschämt nach unserm Tropfen giere,
Laß auch genug für alle andern drinnen!
Wir müssen ihn in eine Gasse schleifen,
Hier zu dem Brunnen gehn zu viele Leute.
Was nutzt der Stein? Wenn wir zusammen greifen,
So kriegen wir ihn allesamt noch heute.

FÜNFTE: Eh wir das Luststück mit Gewalt zerstören,
Ich frag mich, ob ihm klar, was er verweigert,
Es bißchen Zicken soll dazugehören,
Weil dies die Lust durch das Verzögern steigert,
Doch sind dem Mann die prallen Brüste lästig,
Mag Hüfte und das Becken er nicht schauen,
Sorgt er dafür, daß sich die Meinung festig,
Er hege wider alle Weiber Grauen.

ORPHEUS: Ich liebe eine Frau und zwar die meine,
Eurydike, die schönste aller Eiben,
Daneben und dahinter gibt es keine,
Zu der mich Gier und dumpfe Wollust treiben.

ERSTE MÄNADE: Er sagt es selbst: Er steht auf Leichenteile,
Sein Herzblatt muß recht faulig sein und stinken,
Man schleife ihn, am besten mit dem Seile,
Und lehre ihn die wahre Liebe trinken.

ZWEITE: Genug geschwätzt! Wir schnappen uns den Spinner,
Mehr als ein Seil tun meine spitzen Krallen,
Wir werden sehn, wer in dem Krieg Gewinner,
Sofort und ohne Säumen muß er fallen.
Wir schließen nun den Kreis ein bißchen enger,
Er wird gewiß den Stein bald fallen lassen,
Das Wild sieht endlich ein, bei diesem Fänger
Muß man den Willen und den Ausweg hassen.

ORPHEUS: Nur einen Schritt! Ich schlage zu, die erste
Verliert die Zähne und den halben Kiefer.
Wer Lust hat, daß ihm das Gebiß zerberste,
Der hole sich bei mir den dicken Schiefer.

DRITTE MÄNADE (tritt vor):
Ich hab die Lust, gesteh ich dir ganz offen,
Der Wein schafft Mut, noch mehr sein großer Bringer,
Er läßt uns auf die Rasereien hoffen,
Und gerne fall ich vor dem Niederringer.

ORPHEUS: Umsonst! Gewalt kann diesem Wahn nicht wehren,
Furchtlose gleichen hellen Feuerbrünsten,
Wo alle Werte sich im Rausch verkehren,
Wird auch der Künstler Material den Künsten.
(Er wirft einer Mänade den Stein auf den Fuß und versucht an dieser Stelle den Ring zu durchbrechen und zu fliehen. Er stürzt und alle fallen über ihn her. Nach kurzer Zeit spritzt Blut, die Raserei will nicht enden. Als alle von Blut triefen, fällt der Vorhang.)