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Aus »Medea. Tragödie«.   Vers 52226 bis 52293

DRITTER AUFZUG. SECHSTE SZENE


Die vorigen, Jason, die Helden, das Volk.

VOLK: Dem Jason, der die Skythen uns vertrieben,
Uns löste von Tributen und Tyrannen,
Er zeigte uns, wie uns die Götter lieben
Und ziehe deshalb niemals mehr von dannen.
Wir brauchen einen Herrn, der uns die Weide
Vor Wölfen schützt, den Acker uns vorm Hagel,
Der findt das Öhr der Nadel mit der Seide,
Und mit dem Hammer auch den krummen Nagel.
Wir wollen fechten, pflügen und vermehren
Nichts ohne einen König, der die Krone
Von Göttern, die ihn allseits sichtbar ehren
Und dafür einstehn, daß die Mühe lohne.
Drum laßt uns rufen bis zur Himmelspforte:
Wir wollen Jason, der den Feind geschlagen,
Er führe uns und sei an jedem Orte,
Darüber fährt der helle Sonnenwagen.

JASON: Ihr hört das Volk erleichtert und zufrieden,
Zum Sieg war kaum zu fechten und zu ringen,
Die fremden Herren baten schon um Frieden,
Als wir gewappnet auf die Felder gingen.
Drum grämts uns fast, daß wir als Arbeitslose
Die Furcht die Skythen durften gar nicht lehren,
Den allerschönsten Duft verströmt die Rose
Erst, wenn wer wagt, sie räubrisch zu begehren.

AIETES: Ich hatte niemals Zweifel am Gelingen
Des Zuges, der die ärgste Not uns bannte,
Wenn Götter uns den großen Feldherrn dingen,
Erscheint zumeist der ringsum anerkannte.
Drum soll des Volkes Stimme offenbaren
Die Götter, daß in Samt und Seide gehe
Der Retter, der geführt die Streiterscharen,
Daß er als König vor dem Volke stehe.

JASON (nach einer Pause):
Ich schätze eure Weisheit sehr und Güte,
Doch muß ich sie als Leichtsinn hier verdammen,
Das Königtum erkrankte und verblühte,
Drum sollns das Vlies und dieser Sieg beflammen.
Dem Dank nicht ziemts, erscheint er als Verschwender,
Dem König nicht, daß ihn die Freiheit locke,
Mit eigenem da geize nicht der Spender,
Doch mit der Rebe rühre nicht am Stocke.
Die Krone ist viel älter als der Träger,
Und ob er würdig, kümmert nicht im Kerne,
Drum halte ein der Wager wie der Wäger,
Denn unser Wille schickt sich nicht dem Sterne.
Dies allgemeine ganz beiseit gelassen,
Wärs närrisch, sich am Volke zu berauschen,
Schon morgen wird, was heute paßt, nicht passen,
Weil die Gemüter ihre Meinung tauschen.
Wer sich vom Volk erheben läßt und krönen,
Gesteht ihm zu, ihn wieder zu vernichten,
Die Herrschaft sei allein den Göttersöhnen,
Und nicht ein Preis für wohlerfüllte Pflichten.

KREUSA: Mein Herz, ich bin so stolz in dieser Stunde,
Du zeigst, daß unbestechlich bleibt der Edle,
Ein dürftiger Charakter sagt dem Hunde,
Entscheidend sei der Schweif, der dabei wedle.
Der Große fordert nichts und will nur schenken,
Ihn grämt allein, wenn Hände sich versteifen,
Der Lobsang läßt ihn seine Blicke senken,
Und Lust zu Höherm in der Seele reifen.

JASON: Dir zu gefallen, ist von jedem Preise
Der höchste, und mir ward mit deiner Treue
Ein Gut, um das ich alles von mir weise,
Und täglich mich in deinem Sinn erneue.
Erst deine Liebe ließ mich menschlich werden,
Ob groß, das mag die Nachwelt einst entscheiden,
Doch größres gibts gewißlich nicht auf Erden
Als Liebe, der es Wonne wird zu leiden.