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Aus »Punisches Lied. Tragödie«.   Vers 48966 bis 49037

ZWEITER AUFZUG. DRITTE SZENE


Dido, Anna, Timon.

ANNA: Wir hörten, wie im Schlafe dich erschreckte
Ein wüster Alp. Gib, Timon, etwas Wasser!

DIDO: Was wohl die Göttin mit dem Traum bezweckte?
Ich bin doch ganz gewiß kein Griechenhasser.

TIMON: Sie ist verwirrt. Hier Herrin gute Schlucke!
Die Kühle wird euch guttun nach dem Schrecken,
Die Atmung leidet unterm Magendrucke,
Wagt mans, sich hier alleine auszustrecken.
Der Feigenbaum, gar kühl und nett zu leiden,
Er eignet auch den Mahren und Gespenstern.
Ich bitte euch, das morsche Holz zu meiden,
Die Luft ist frischer an den hohen Fenstern.

DIDO: Laß gut sein, ich bin etwas nur verschlafen,
Ich hab mich bald schon wieder in Kontrolle,
Ihr müßt jetzt gleich hinuntergehn zum Hafen,
Mir träumte, daß es so geschehen solle.

ANNA: Ach, Träume, Hafen, Dido, du mußt ruhen
Im Haus, wo keine Mahren und Dämonen,
Ich werd dich jetzt befrein von deinen Schuhen,
Laß ab von Wurzeln und von Schattenkronen.

DIDO: Nein Anna, deine Sorg ist unberechtigt,
Ich bin ganz klar im Kopf und in den Beinen.
(Sie geht ein paar Schritte im Kreis.)
Wer unter solchen heilgen Bäumen nächtigt,
Dem offenbarn die Götter, was sie meinen.
Die Venus nahte aus dem Schlachtgetümmel
Von Troja, das nun brennt und ist gefallen,
Denn Arges tut sich, während ich hier lümmel
Und Überspanntheit scheint es euch gar allen.

TIMON: O weh, ich ahnt es, Hektor und nun dieses,
Die goldne Stadt geplündert und geschunden,
Warum gibts auf der Welt nur so viel Mieses,
Und Menschen rauben mit der Gier von Hunden.

DIDO: Aeneas ist geflohn mit Joves Gnade,
Die Venus kam, es mir im Traum zu melden,
Sie wies ihm unsre friedlichen Gestade,
Drum heißt willkommen den Dardanerhelden.

TIMON: Ich eile, froh des unverhofften Gastes,
Er mög sich ganz zuhause bei uns fühlen,
Die Göttin sagts und also trefflich paßt es,
Nie hörte man von holderen Asylen. (Ab.)

ANNA (schwärmerisch):
Er wird uns bald schon kehren mit dem Helden,
Von dem die Sänger viel zu sagen wissen,
Sie werden auch von unserm Heime melden,
Daß wir geflickt, was falb war und zerrissen.

DIDO: O Anna, dies ist eine ernste Sache
Von Krieg und Not und Götterstreitereien,
Da ist es gut, wenn ichs alleine mache,
Sonst muß ich dich des Unbedachten zeihen.
Geh rasch ins Haus, eh Timon kommt zurücke,
Ich werde dir Aeneas lebhaft schildern,
Gar oft ruft Neugier nur herbei die Tücke,
Kehr lieber zu den pergamentnen Bildern.

ANNA: Nein Dido, nicht ein Kind, ein unbelecktes,
Bin ich, ich bin schon übers Meer gefahren,
Ich will sein Antlitz schaun, sein unverdecktes,
Daß Phantasie berichtigt sei vom Wahren.

DIDO: Das ist unmöglich, denn das Land vertreten,
Muß ich allein und nicht im Kollektive,
Sei drum nicht lang um Einsicht hier gebeten,
Sonst ist der Eindruck unsres Gasts der schiefe.

ANNA: So laß mich auf dem Baume im Geäste
Belauschen wie man tut bei Diplomaten,
Nimm bitte Schwester mir nicht fort das Beste,
Erfahren möcht ich von Dardaner-Taten.

DIDO: Nun gut, mir ist nicht wohl dabei, doch sei es,
Wohl oder übel mag ich mich dreinfinden,
Doch wenn ich hör die Ahndung eines Schreies,
Werd ich mit ihm ein andres Eckchen finden.
Du mußt dich da von jedem Mucks enthalten,
Ich dulde nicht den Argwohn von Spionen,
Ich werde, wie gesagt, woanders walten,
Willst du die Huld mit grobem Undank lohnen.
(Anna steigt auf den Baum und verbirgt sich.)