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Aus »Unstrutleuchten. Zweites Buch«. Gedichte 2020   Vers 45260 bis 45331

DER LEGIONÄR


Der Bahnhof Artern, etwas ab
Vom Städtchen und vom Bürgerstolz –
Das Tier, dem jede Zeit zu knapp,
Verkroch sich längst im Unterholz –
Hier sind die Linien staubig warm,
Hier stört der Raucher kein Gewichs,
Und alles tönt behaglich arm:
Mein lieber Gott, das macht doch nix.

Solch Soziotop, der wenig meint,
Muß mancher Art Refugium sein.
Was dem Chronist kein Zufall scheint,
Es stellt sich die Begegnung ein.
Ein Unbekannter, der erzählt,
Erst was man sonst mit Fremden schwätzt,
Dann bald recht spannend ausgewählt,
Was ihm geschah zuerst, zuletzt.

Sein Lebensthema: die Legion,
Von Frankreich aus in alle Welt,
Kleindeutschlands kleinsten Teiles Sohn,
Ders nimmt, wie ihm der Würfel fällt,
Als alles hier zerbrach und schwand
Und niemand brauchte Kunz und Hinz,
Da zog er nach dem Morgenland,
Er suchte Leben, dort beginnts.

Es ist ein eigner Menschenschlag,
Den schreckt nicht Drill und Schinderei,
Der Marsch und Prügel lieber mag
Als die zivile Stichelei
Von all dem Bürokratentum,
Dem unser Wohlsinn anvertraut.
Er suchte Himmel nicht und Ruhm,
Er hat sich draußen umgeschaut.

Und er erzählt, kaum weiß ich noch
Die Länder und die Kriegspartein,
Weil er es überlebte doch,
So muß der Grundbaß heiter sein.
Er schildert und belehrt uns nie,
Er braucht kein Recht als das Geschehn,
Kein Reim, zu dem die Fahrt gedieh,
Kein Zweifel, was da abzusehn.

Im Land Brasilien das Gefecht
Galt Baggern, Raupen und Draglines,
Goldgräbern ohne Schürfungsrecht
Der Stärkere beschied, was seins.
Daß man die Mittel dem beschnitt,
Der besser tot als lebend wär,
Wies wie beim Marsch spezieller Schritt,
Aufs Einmaleins als Legionär.

Grad wie ein Schreiner uns beschreibt,
Wie seine Werkbank rein und frei,
So er, wie man Rebellen treibt,
Daß die Region gesäubert sei,
Er übertreibt nicht, sucht das Graun
So wenig wie die Kriegsmoral:
Sein Tagwerk ist es dreinzuhaun,
Die Politik ist ihm egal.

Auch Abenteuer ist es nicht,
Was er beschönigt nicht noch pönt,
Er ist zuhaus in der Geschicht,
Was seltsam ihm das Haupt verschönt.
Grad, weil er gar nichts gelten will
Und fern sich allem Höhern hält,
Klingt uns sein Lied vertraut und still:
So schön und schrecklich ist die Welt.

Der Zauber solcher Lieder doch,
Daß sie im Wesen absichtslos.
Wie Bachgemurmel, Spechtsgepoch,
Baumkronenwiegen, Meergetos,
So sagt auch dieser bloß, was ist,
Und wägt nicht Leben, Lust und Leid.
Der Mittag, der die Beichte mißt,
Scheint wie gefallen aus der Zeit.