|
Aus »Die alte Linde. Erstes Buch«. Gedichte 2012 Vers 39754 bis 39833 WO IST GOTT? Seit uns die Dampfmaschine Dem Pferd entfremdet hat, Seit Zucker ohne Biene Uns fröhlich macht und satt, Seit wir vom Markt die Pilze Uns holn und nicht vom Wald, Da meinen Hans und Ilse, Das Gottesbild sei alt. Der Strom kommt aus den Meilern, Das Geld kommt von der Bank, Wir sind versichert Heilern Und sauber selten krank, Allein zuletzt im Tode Beim Schulternzucken dann, Kommt ganz nicht aus der Mode, Was nur der Pfarrer kann. Hat Gott sich abgewendet, Ist er gestorben gar? Wer keine Blitze sendet Und stellt die Dinge klar, Der wird leicht abgeschrieben, Wo Werbung trumpft und gleißt. Drum kann die Zeit nicht lieben, Was da allmächtig heißt. Doch Gott kann sich nicht wenden, Und Gott ist immer gleich, Es mag die Menschheit enden, Doch nie vergeht sein Reich. Wir schlossen bloß die Türen Mit Eisen und mit Stein, Zum Schluß uns zu verführen, Er wolle ja nicht rein. Eh die modernen Städte Mit Lärm und Protzerei, Daß aller Geist verfette, Sich setzten Huhn und Ei, Da waren Berg und Bäume Uns Bürgen, daß wir klein, Da schlossen uns die Räume Ererbter Heimat ein. Wer einen Baum betrachtet, Der schaut nicht nur ein Holz, Wo uns Geburt umnachtet, War schon sein lichter Stolz. Uns sagen alte Frauen Von Schmerz und Wandel viel, Der Krone doch im Blauen Wars nur ein Zwischenspiel. Wir wissen nicht zu deuten Die Borke und den Bast, Doch eh noch Glocken läuten Zum bremsen Streit und Hast, Stand schattend schon der Hüne, Den nichts erschüttern kann, Und läßt ans leichthin Grüne Nur Wind und Sonne ran. Solang noch einer schattet, Ist Macht und Majestät, Und wenn der Geist ermattet, Und meint, es sei schon spät, Wird er im Baume inne Der Jugend seines Glücks Und auch, daß ihn umspinne Der Zweifel hinterrücks. Im Baum wird Gottes Nähe Dem Kindesaug vertraut. Daß arg verkleinert spähe, Wer Gott im Baume schaut, Ist theologisch richtig, Doch Mittler braucht das Blut, Und Häute hundertschichtig Braucht aller Weisheit Gut. Drum ists, dem Baum zu trauen, Nicht heidnisch und Magie, Wer aufhört froh zu schauen, Erfährt den Heiland nie, Und Freude ist in allen, Die älter als modern, In Bäumen wie Kristallen, Im Winde wie im Stern. |