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Aus »Das Murmeln der Ilm«. Gedichte 2008   Vers 27606 bis 27677

SENFMÜLLERS LIED


Klappert überm Bach klipp-klapp,
Wanderer, das Mühlenlied,
Macht der Fahrtengeist nicht schlapp,
Dem der Kranich freund im Ried,
Ist das Lied im Ilmland hell,
Walzt man Senfkorn weich zu Schrot,
Daß im Most die Maische quell
In der Mühle Morgenroth.

Mittelalter-Fundament
Trägt das Werk der Lutherzeit,
Seit die Welt von Händel kennt
Aetius’ Sieg im Hunnenstreit,
Sind da Fachwerk, Recht und Grund,
Was da freundet, was da froht,
Erb und eigentlich im Bund
Mit Familie Morgenroth.

Mancher Sohn ging Vater Pfad,
Stall und Scheuer wuchsen rasch,
Wo der Freie schritt zur Tat,
Ward die Hand nicht welk und lasch,
Der als Sichter Mehl, Dunst, Grieß
Trennt, wies ihm der Walzstuhl bot,
Vier Geschosse wachsen ließ
In der Mühle Morgenroth.

Da der Ilme Flut nicht reicht,
Kam zuhilf ein Lokmobil,
Das im Weltkrieg Diesel weicht,
Bis im Neu-Zusammenspiel
Sorgte die Turbine Kraft,
Die dem Hilfsmotor kommod,
Daß die Mühle weiterschafft
Mit Familie Morgenroth.

Was in Zeiten, gut und schlecht,
Wuchs bis zum Verladetrakt,
Hielt den Stil und gab ihm recht,
Und erhielt, was abgewrackt,
Als von West der Spekulant
Kam als Herr, war plötzlich tot,
Was man je im Fleiß gekannt
In der Mühle Morgenroth.

An der Weser, Mosel, Lahn
Sahn Herr Friedrich und die Frau
Überall denselben Wahn:
Mühlenschrott in jeder Au,
Statt der Kette letztes Glied
Wählte trotzend Schmäh und Not,
Unbeirrt das Mühlenlied
Die Familie Morgenroth.

Senf, der sanfte Walzen braucht,
Soll er den Gourmet erfreun,
Denn das Fein-Arom verhaucht,
Wenn die Räder heftig dräun,
War schon früher hier gediehn,
Und nun neuem Anfang Brot,
Das Rezept die Akten liehn
In der Mühle Morgenroth.

Auf der Messe in Turin
War der Senf Genießern fein,
Wo Italiens Sonne schien,
Ging so mancher Auftrag ein,
Wohlstand zeigte grünen Keim,
Doch Ilm riß Wehr und Schlot,
Und die Wasser suchten heim
Die Familie Morgenroth.

Doch wer nie dem Schicksal front,
Baut auch Stau mit Brückenwehr,
Wird mit Himmelskraft belohnt,
Stellt noch stets die Ordnung her,
Also werkt im Weh und Ach
Dieses Lands, als wärs im Lot,
Stetig und dabei gemach
Hell die Mühle Morgenroth.