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Aus »Zwischen Dünwald und Pleiße«. Gedichte 2008   Vers 24194 bis 24353

QUESTENBERG


I

Eichenstamm und Questenkranz,
Reisgezott und Laubgefrans,
Sonnenrad auf weißem Riff,
Hymne, die der Nordwind pfiff,
Grottennacht, kristallner See,
Doppelstirn von Lust und Weh,
Berggeflamm und Herbstfanal,
Osterlicht nach Winterqual,
Nirgends sah ich ein Gedicht,
Das so sehr mein Angesicht
Hat berührt und bloßgestellt,
Daß es fremd ward in der Welt.


II

Wir stehen am Fuße
Des fürstlichen Riffs,
Wir sinnen auf Buße,
Kein Weiser begriffs.

Wir lagern am Rande
Des Heiltums beschämt
Und suchen die Schande,
Die abhält und lähmt.

Wir sinnen und säumen,
Im Hahnenschrei scharf,
Er weckt uns aus Träumen
Wie er es nur darf.

Wir müssen es wagen
Mit kargester Kost,
Denn bald wird es tagen
Aus blutigem Ost.


III

Der Schlafsack wurde eingerollt
Und auch das Eßgeschirr verstaut,
Mit feuchter Hand die Nacht sich trollt,
Indes der erste Schimmer graut.

Heut sitzt nicht jeder Griff, die Zeit
Wird knapp, wir wolln gemessen gehn,
Zum dritten Mal der Gockel schreit,
Dreh dich nicht um und bleib nicht stehn.

Der Hang ist steil doch gehts nicht lang,
Nur wenig Gras wächst im Geklüft,
Man kommt zu Schweiß bei diesem Gang,
Daß ich den Kranz der Freunde lüft.

Doch dann ist aller Schmerz verweht,
Die Majestät lädt zur Audienz,
Wenn man vor diesem Zeichen steht,
Paßt keines Meisters Reim-Sentenz.

Sie ist so schön, wie die aus Schaum
Entstiegne Aphrodite schien,
O kneif mich, denn dies ist ein Traum
Von Haschisch oder Meskalin.

Im Winde flattert gelbes Laub,
Da steigt die Sonne aus dem Grab,
Und wenn ich auch zu träumen glaub,
Bleibt groß, was ich gewonnen hab.


IV

Die Bauern ehrn
Jahraus jahrein
Vor dem Verzehrn
Den Sonnenschein,
Der Questenbaum
In Lieb gepflanzt
Beschirmt den Raum,
Darin man tanzt.

Was gilt da schon,
Ob Heid ob Christ
Dem Sonnenlohn
Gilt diese Frist,
Und das Idol
Den Berg beflaggt,
Der innen hohl
Und außen nackt.

Wer weiß genau,
Was ihn bewog,
Es hält die Sau
Kein Theolog,
Verklärt und ganz
Ist dies wie keins,
Denn Kreuz und Kranz
Falln hier in eins.

Dies sagt dir mehr
Als jede Schrift,
Du fragst nicht, wer
Dein Herz so trifft,
Es ist gewiß
Und wunderbar,
Kein Streit, kein Riß,
Nur hell und klar.

Manch einer schleppt
Folianten viel,
Daß der Adept
Sofort am Ziel,
Sorgt diese Maid
Am Gipfel stramm,
Für Lieb und Leid
Wie Wolf und Lamm.

Du wirst sie oft
Erinnern hell,
Weil sie verstofft
Geheime Schwell
Von Zeit und Raum,
Wo sonst dir nur
Der Flug im Traum
Ein Dielenflur.


V

Ein Holdener vom Questenberg
Ward einst gerichtet und gehenkt,
Wer staunt auf dieses große Werk
Gewißlich auch des Opfers denkt.

Uns gibt die Chronik keine Spur,
Wie er beklagt der Häresie,
Und sicher scheint mir heute nur,
Der Richter sah die Queste nie.

Doch fehlt dem Irrtum nicht der Sinn,
Denn dieses ist der Gang der Welt,
Daß schuldlos Blut zur Erde rinn,
Ist Kraft, die auch den Baum erhält.

So darf uns diese Schönheit freun,
Weil unser Herr auch nach dem Tod
Wird die Gerechtigkeit nicht scheun,
Die Mond und Sonne hält im Lot.


VI

Manch einer meint, der Questenkranz
Gehör ihm höchst privat und ganz,
Doch sagt, wer selbem Wahn nicht front,
Er mach es wie der Hund dem Mond.

Da soll nun zwiefach Tadel sein,
Man schließt ein Heiligtum nicht ein,
Und daß dies jemand närrisch liebt,
Heißt nicht, daß es nur Narren gibt.

In Büchern nach der Queste spähn,
Wird nur die Vorurteile blähn,
Drum steig hinauf mit wachem Aug,
Dann siehst, ob dir das Zeichen taug.


VII

Der Kammwind gerbt das dürre Laub,
Macht Braun und Ocker fadenschein,
Der Kranz verweht wie Elbenstaub,
Drum will das Werk erneuert sein.

Die Dörfler rings mit Kind und Greis
Gehn hoch, daß man die Maid verarz,
Zum Liebesdienen büschelweis
Die Au der Helme trifft den Harz.

In Eichenfaß und Gerstensaft
Die Questenfarben wiederkehrn,
Die Bauern wollen Rad und Schaft
Noch tausend weitre Jahre ehrn.

An mancher Felsenspitze klebt,
Was vorjahrs riß der Hagelschlag,
Doch was verlorn und abgelebt,
Gibt Hintergrund dem Ostertag.

Denn dies ist jeden Zeichens Kern,
Es bringt der Zeit, was sie bedingt,
So ist gesandt vom Questenstern,
Wer ihn in jeder Weis besingt.


VIII

Abschiedsstunde in der Mitte
Eines Tags, der nie vergeht,
Weil das Bild der Questenbitte
Unzerstörbar in dir steht.

Mag den Kranz der Sturmwind lösen,
Mag das Laub im Karst verfalln,
Eine Waffe droht dem Bösen,
Die vorangeht, hell vor alln.

Daß dein Herz sie herrlich zäume,
Bis sie jede Kuppe trag,
Stieg sie tief in deine Träume
Wo sie leuchtet jeden Tag.