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Aus »Das Jahr des Heils«. Gedichte 2006 Vers 16404 bis 16473 DAS JAHR DES HEILS Das Jahr des Heils ist keins aus dem Kalender, Der tausend Jahre schreibt und tausend mehr, Und keine Kirche dieser Welt ist hehr Genug, zu küssen seine Gold-Gewänder. Das Jahr des Heils trägt keinerlei Begehr Nach Seiendem, für Büßer und Verschwender Kann es die Mitte sein und als Vollender Erkennbar werden, doch der Weg bleibt leer. Glaub mir, das Einhorn würde nicht behender Den Jäger fliehn als ein ins Spiel der Pfänder Verirrtes, dem entscheidbar nicht wie schwer. Das Jahr der Welt vertraut dem großen Blender, Es sinkt als Schoß und reckt sich auf als Spender. Das Jahr des Heils weiß nichts von Wiederkehr. Der Schmerz ist reich an Flitter und Pomade, Er geht in grau, in weiß und in Karmin Er peilt ins Blau, um seinen Kreis zu ziehn, Und löst den Puls ins Offne, Ungerade. Die Lust, gehüllt in schwanke Harmonien, Trägt ihn als Amulett, gefaßt in Jade. Als Pfeil der Göttin, die belauscht im Bade, Darf sie zurück in seine Obhut fliehn. Er leiht der Schwester manchmal die Fassade Und ist sich für den Gaukler nicht zu schade, Als Narr gepönt und als Tyrann verschrien. Doch er bezeugt, was er verneint, drum lade Nicht leichthin aus die Größe und die Gnade: Das Jahr des Heils ist auch ein Jahr für ihn. Das Jahr des Heils hat Rätsel zu verschenken Und ist, ein Kind, aus Rätseln ganz gemacht, Es hält uns mit dem gleichen Stoff in Acht, Der uns befähigt, es uns auszudenken. Der Tagmensch sieht, was Traumgesicht und Nacht An Rede tauschen, nur auf Hinterbänken, Es ist sein Teil, ein morsches Schiff zu lenken, Und ist der Zins nicht sein, so ists die Fracht. Was drunten west, wird seinen Stolz nicht kränken, Und welcher Wind Isoldes Zaubertränken Entweht, ist ihm ein Trug, den er verlacht. Von Göttern weiß er nichts und von Geschenken Und im Beschluß, sein Tagwerk zu versenken, Vermißt er nur das Glück in einer Schlacht. Kein Jubel wird im Jahr des Heils erschallen, Selbst wenn die Kunst, das Gnadenreich zu schaun, Noch unverlernt wär und das Gottvertraun, Die Tugend Freude ging zuerst von allen. Doch nur der Mensch stieg jählings ab, der Faun Trumpft immer noch, den Nymphen zu gefallen, Mit Mannheit, im Gorgonengift der Quallen Trifft dich noch heut die Sterbliche der Fraun. Noch schlägt der Sperber ungezähmt die Krallen Ins rote Fleisch, du spürst das Kornfeld wallen Am Himmel Thor den Wetterzauber braun, Und Orpheus darf dich süß wie je bestallen, Und der dir sang, das Wasser wird sich ballen, Wird auch die Regenbogen-Brücke baun. Das Jahr des Heils ist aus Musik und Chören, Der Mensch versucht sich nach der Engel Art, Wenn die Begabung sich mit Ehrfurcht paart, So spürn wir, daß wir Ewigkeit gehören. Hier wird der Schrecken federleicht und zart, Des Pöbels Zorn darf Baß sein und betören, Die reine Zeit kann Außerzeit beschwören, Daß uns das Warten leicht wird und die Fahrt. Auch fällt die Furcht, das wir uns selbst verlören Im Hingegebensein wird hold gewahrt, Was sonst die Dinge, die uns treffen, stören. Und ohne Müh und Mißton offenbart Musik uns Weisheit, die uns sonst empören Nur würde, weil der ganze Himmel klart. |