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Aus »Deutsche Passion«. Gedichte 2006   Vers 14151 bis 14238

DIE HILKE VOM GER


Wo dunkler die Tannen
Dir schatten zur Nacht,
Wo karger die Schrannen
Der Schober bedacht,
Fliegt, daß sie gebäre
Den Fürsten des Clans,
Die Hilke vom Gere
Durchs Zwielicht des Wahns.

Wo Friesen vor Bären
Nicht abschirmt das Kreuz,
Wo ehern und hären
Die Lust, keines Deuts
Verlustig, in Schreien
Sich austobt, erfahr
Das Gebenedeien
Vom Nordland-Altar.

Wo Deiche zu brechen
Dir drohn, will der Sturm
Nach Lohenart stechen
Den irdenen Wurm –
Dem Land, drauf die Woge,
Die neidische, schaut,
Die Hilke am Troge
Das Leuchtfeuer braut.

Sie weiß um die Kräuter,
Der Pilz ist ihr heil,
Hofft jeder der Häuter,
Daß er bei ihr weil,
Bleibt sie, deren Glieder
Im Mondlicht so kalt,
Wie Schwanengefieder
Die Engelsgewalt.

Das Mal der Geschlechter
Ist ihre Domän,
Die Eide Gerechter
Weiß sie zu duchspähn,
Das Krummschwert, die Pieke,
Was Waffen du kennst,
Schaut Hilke als Nike
Mit Lorbeer bekränzt.

Die herrische Küste,
Die Midgard umschlingt,
Zuckt durch ihre Brüste
Und Mutterkorn bringt
Ein Wissen und Weihen,
Das schreckenlos schaut,
Die Raben umschreien
Den Trank, den sie braut.

Das Reich der Germanen,
Von Wolken verdeckt,
Dem Willen der Ahnen
Getreu, sie erweckt
Im Wimmern des Mannes
Ein Samenkorn Mohn,
Und Hilke gewann es
Als Revolution.

Wo Eidbruch und Fremde
Als Mächte sich blähn,
Trennt sie sich vom Hemde,
Das deckt ihr Gewähn,
Und pflanzt, daß die Spötter
Verstummen, im Prunk
Die Flagge der Götter
Ins Gruftolm-Geunk.

Der Bannstrahl des Weibes,
Der Urborn der Nert,
Verächter des Leibes
Zum Grinsen verzerrt,
Entwaffnet, geschlagen
Von ihrer Gewalt,
Schafft Hilke den Tagen
Die Friesengestalt.

Und wenn sich die Sonne
In Schleswig erhebt,
Wird Blut sich der Wonne
Erinnern, die strebt
Nach Arnshaugk und Thule
Ins Xanadu-Eis,
Zu Spinnrad und Spule
Und Lammwolle weiß.

Dann legt sie das braune,
Das wallende Haar
Bedächtiger Laune
Auf alles, das war:
Die Macht, die sie brütet
Im Hilkengebet,
Das Heil, das sie hütet,
Wenn alles verweht.