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Aus »Deutsche Passion«. Gedichte 2006   Vers 13568 bis 13783

DIE BURG DER GEFAHREN


Wer auszog zu streiten,
Wer Prüfungen sucht,
Die weichlichen Zeiten
Als unmännlich flucht,
Der sieht in der wahren
Versuchung des Manns
Die Burg der Gefahren
Im herbstlichen Glanz.

Wem sie zugemessen,
Der findet sie leicht,
Um bald zu vergessen,
Wie er sie erreicht,
Sie thront auf Basalten,
Verfärbten von Blut,
Scheint emsig gehalten
In sorgsamer Hut.

Nur heillosen Narren
Empfiehlt sich der Sturm,
Die Armbrüste starren
Von Zinne und Turm,
Drum ziehe in Frieden
Durch Gitter und Wall,
Denn was dir beschieden,
Geschieht überall.

Das Nachtmahl bescheiden,
Der Traum überfällt
Mit trauernden Weiden
Und zeigt dich als Held,
Doch weichen die Geister
Beim Glockenklang vier,
So ruft dich der Meister
Heraus zum Turnier.

Im Frührot die Wappen,
Fanfarenstoß, Ritt
Auf prächtigen Rappen
Manch Rittersmann stritt,
Und manch eine Dame
Schwenkt schluchzend ihr Tuch,
Schon reitet ein Name
Den nächsten Versuch.

Du brichst eine Lanze,
Du streitest zu Fuß,
Doch fehlt für das ganze
Ein Tuch und ein Gruß,
So spürst du im Blute,
Daß heillos allein
Dir abgeht das Gute,
Um heldisch zu sein.

Ein Fräulein du findest,
Das lauscht deinem Schwur,
Doch was du so bindest,
Das langweilt sie nur,
Sie hat keinen Drachen
Für Lanze und Stich,
Ihr Spott und ihr Lachen
Sind tödlich für dich.

Was taugt unterm Himmel
Noch heldischer Tat?
Das Menschen-Gewimmel
Am Marktplatz, im Bad,
Verdingt sich dem Schlemmer,
Dem Frieden, der Pracht,
Ist nicht für den Stemmer
Des Atlas gemacht.

Der Wohlfahrt zu dienen,
Stehn Mühe und Geist,
Gleich emsigen Bienen
Man anschafft und reist,
Das Maß gilt als Laster,
Verbrauch spornt die Tat,
Streit gilt als verpaßter
Gewinn für den Staat.

Der Ruhm und die Ehre
Sind Margen Gewinns,
Und heilig die Lehre
Von Handel und Zins,
Gott wird zum Verkäufer
Und haftet beschränkt,
Der Teufel zum Säufer,
Der einfältig denkt.

Du staunst in die Runde,
Die rastlos dich kaum
Gewahrt, weil sie Pfunde
Und Rechte und Raum
Zu werten, zu teilen
Zu Miete und Pacht,
Nichts weiß als ihr Eilen,
Aus Talern gemacht.

Du hörst, daß der Kaiser
Den Kreuzzug erklärt,
Du dankst ihm als Weiser
Den Ruf, der dich ehrt.
Des hiesigen Lohnes
Unfroh, zieh dein Stand
Zur Grabstatt des Sohnes
Ins heilige Land.

Du wagst durch die Wüste,
Von Räubern bedroht,
Die Sonne dich grüßte
Mit Schmerz und mit Tod,
Durch Fallen und Fluchten
Ziehst du dein Pfad,
Skorpione in Schluchten
Und Quallen beim Bad

Erzählen die Leiden
Des Heilands getreu,
Verrat und das Scheiden,
Der Angriff, die Reu,
Dann wieder die Fahne
Gemetzel, Gefecht,
Dann nahe am Wahne
Gerettet, geschwächt.

Was später der Sänger
So gern überspringt,
Die Mühe noch länger
Zu sehn, es gelingt,
Wer ringt, steht im Wege
Sich selber und sieht
Im Pfeilflug-Gehege
Begrenztes Gebiet.

Die Herrn und Strategen
Sind nicht deine Sach,
Dir scheints auf den Wegen,
Als spielten sie Schach,
Auch kannst du nicht wissen,
Wer Freund ist, wer Feind,
Und wer sich beflissen
Dem Teufel vereint.

Manch schwärende Wunde,
Die Regenzeit raubt,
Wodurch sie gesunde,
Hätt keiner geglaubt,
Daß Gott sich in Larven
Verbirgt, die uns fremd –
Und was wir entwarfen,
Birgt nur, was uns hemmt.

Im Wechsel der Jahre
Sind Rüstung und Stolz
Längst hin wie die Haare
Und trockenes Holz,
Entflammbar wie Zunder
Und mürrischer Tand,
Weiß nicht mal ein Wunder
Was je dich gesandt.

Doch dann folgen Ritte
Gradhin auf das Ziel,
Als werde die Mitte
Erfahrbar dem Spiel,
Nur kleinres Gerangel
Behindert den Zug,
Als ließ aus der Mangel
Dich Zweifel und Trug.

Schon siehst du die Türme
Der heiligen Stadt,
Die Mattheit, die Stürme,
Des Wechselspiels satt,
Sie fliehn vor der Ehre,
Die Waffen dir gab,
Zu schlagen die Heere
Am heiligen Grab.

Du wirst diese Stätte
Im Leben nicht sehn,
Den Siechen im Bette
Doktoren umstehen,
Die Schlacht ging verloren,
Wer weiß, wann das Glück,
Die Grabstatt, erkoren,
Uns hole zurück.

Und wie du mit Schmerzen
Und Atemnot ringst,
Bei flackernden Kerzen
Die Nächte verbringst,
Betrachtet dein Leiden
Ein Knappe genau,
Geschmeidig wie Weiden,
Mit Augen so blau.

Er gleicht deinem Blute
Und fragt dich ganz klar:
Was war deinem Mute
Je ärgste Gefahr,
Dich quält deine Lunge,
Die Stimme ist rauh,
Du antwortest: Junge,
Ich weiß es genau.

Nicht die Sarazenen,
Nicht Kaiser und Papst,
Nicht schmerzende Venen,
Das Gift, das du gabst,
Ich muß offenbaren,
Daß schrecklichste sei,
Die Burg der Gefahren
Im Wonnemond Mai.

Dort sterben die Gluten
Von Würde und Ehr,
Des Heilands Verbluten
Erneut sich nicht mehr,
Dort sind alle Riten
Gefälscht und bequem,
Dort herrschen die Nieten
Mit goldnem Emblem.

Man glaubt an Millionen,
Was jedermann feil,
Soll grenzenlos thronen
Und nennt sich das Heil.
Die Toten vergessen,
Man wandelt im Rausch,
Und zelebriert Messen
Für Handel und Tausch.

Da spricht dir der Knabe,
Bevor sich dein Geist
Zu Gott verfügt: Rabe,
Der Weisheit du leihst,
Nichts gelte mein Wagen,
Nichts ehr meine Schar,
Eh ich nicht zerschlagen
Die Burg der Gefahr.