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Aus »Deutsche Passion«. Gedichte 2006 Vers 13408 bis 13527 ODENWALDFAHRT Wenn rot der Oktober Sein Schildwappen reckt Und Soma-Zinnober Die Schleichpfade scheckt, Wenn Tautropfen tanzen Im goldenen Bart, So schnür deinen Ranzen Zur Odenwaldfahrt. Die hehren Legenden Auf Träumen von Moos, Sie werden nicht enden, Und dies ist dein Los, Zu stehen, zu fallen Den Vorvätern gleich, Zu künden, zu lallen Vom heiligen Reich. Die Dulder verrieten Ihr Lehen dem Wahn, Kastanien entbieten Die Farbe des Pan, Du siehst sie zerspringen, Als wüßte die Elz Noch immer zu singen Im Es-Dur des Quells. Noch ist in den Auen Der Golder am Werk, Ihm blind zu vertrauen, Entstiegst du dem Berg, Noch treiben die Flößer Den Neckar hinab, Noch streichen die Stößer Mit Brunstrufen ab, Und sagt auch die Scholle Im schwarzbraunen Ton Nur eines: sie wolle, So spürst du doch schon Im Blitzen der Zinnen Des Niblungs Geschlecht Die Waffen ersinnen Zum letzten Gefecht. Der Helm, der im Fange Den Drachen verbirgt, Die magische Spange, Ist zarter gewirkt Als steigend die Blässe Des Nebels im Tal Und du, der die Bässe Verschweigt wie den Gral. Mit blutenden Füßen Betrittst du das Wehr, Die Flußgötter grüßen Mit Schlingwuchs am Ger, Sie fordern mit Bitten Und Drohung den Rat, Der längst dir entglitten, Wie ihnen die Tat. Versöhnung der Erde Mit menschlichem Maß, Gelingt nicht der Herde, Die jegliches fraß, Wer Päpste und Kaiser Zur Eintracht bewög, Wüßt wohl, daß der Weiser Des Reiches nicht trög. Doch sind alle beide, Die spinnefeind lang, Entkleidet von Seide, Von Treu und Gesang, Dem Wuchrer, dem Raffer Dem schlüpfrigen Heer, Sind lieber die Kaffer Als Söller und Wehr. So steigst du im Fallen Der Nacht gipfelan, Ein Stein in den Krallen Der Schwermut, ein Mann, Der nur noch als Fänger Der Tautropfen geht, Der stillste der Sänger, Der schweigend besteht. Der Mond in der Schneise Und Morpheus’ Diktat, Sie führen die Reise Zum Mordklingenpfad, Dort schaust du mit Schrecken Den Schatten so klar, Als sollte dich wecken, Was mohndunkel war. Und nochmals die Gärten, Terrassen und Wein, Und mit dem Gefährten Kehr spätabends ein, Die Aue der Bienen, Die Wiege des Zeus Ist manchem erschienen Als sichres Gehäus. Hier laß dich verwöhnen Mit Braten und Rahm, Das Horn noch ertönen, Das lang vor dir kam, Und preisend die Sterne, Des Mondes Gelock, So stürbest du gerne Den Tod des Barock. Doch deinem Gesetze Ward andres gewebt, Noch sammeln sich Schätze Für den, der sie hebt, Noch lauscht deinen Oden Den Vorvätern gleich, Auf heiligem Boden Das heilige Reich. Es ist ein geheimes Im Wechsel des Jahrs, Der Zauber des Reimes Befiehlt: offenbar’s! Und weißt du im Schober Die Ernte verwahrt, So ruft dich Oktober Zur Odenwaldfahrt. |