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Aus »Idäisches Licht. Erstes Buch«. Gedichte 2006 Vers 11578 bis 11673 MINOISCHER TRAUM Welt des Poseidon und Welt des poseidischen Stieres, Mythenreich dunkel, vom Schutt der Gezeiten verdeckt, Gold, aber immer im Schatten des prächtigen Tieres, Ehe noch Theseus das Zeichen des Widders erweckt. Erst als das Blut fließt, der Faden den Flüchtigen leitet, Stirbt eine Welt, die uns wenig verrät und vertraut, Zeichen am Himmel, das jeglicher Deutung entgleitet, Fremd, labyrinthisch in dunklen Symbolen erschaut. Drehkraft des Himmels, die doppelte Streitäxte zieren, Totenkult, der sich in Gängen und Kammern verirrt, Traumtag, verschachtelt mit toten und lebenden Tieren, Heimkehr verweigernd, wenn je sich der Faden verwirrt. Als die Olympischen einst mit der Kraft der Heroen Himmel und Erde dem Licht und der reinen Gestalt Ganz übereigneten, durfte die Stierwelt verlohen, Doch ihre Götter sind heutig und werden nicht alt. Was sie uns raunen, im Wachsen des Mondes gewaltig, Treibt uns noch stets in ihr heiliges Traum-Labyrinth, Was sie uns raten mit Gesten, die Vorwelt-gestaltig, Weiß, daß wir fiebernd minoische Nachkommen sind. Da die Hyksos schwanden aus Ägypten, Sank der große Zeichenkreis des Baal, Eine Stele kündet in den Glypten Sommerloses Jahr in großer Zahl. Auf der Insel Thera hatten Beben, Mensch und Vieh gewarnt von Gäas Groll, Und die Bauern, die am Nabel leben, Wußten, daß es Abschied heißen soll. Als das Eiland unbewohnt verweilte, Selbst die Mauern schlug man klein und fuhr Jedes Stück, das so dem Zorn enteilte, Bis auf Kreta sich verliert die Spur, Bot ein Vorspiel sich in manchen Monden, Weiße Asche stob und rosa Bims, Was die Kräfte erst noch mäßig schonten, Ward gehüllt in hohen Wall und Sims. Gase stießen rot-orange Brocken, Bis zerriß des Berges Krustenvlies, Und das Wasser durfte Lava schocken, Daß der Schlot die Welt erzittern ließ. Blöcke, die verzwölft die Menschengröße, Bombten durch den Himmel und das Meer, Und Poseidon seine Fesseln löste, Daß es jeden flachen Strand verheer. Was gemahnte an die Schöpfungshimmel, Da die Argo die Kyklade warf, Machte des Jahrtausends Flurgewimmel Zum Gesang, der neu beginnen darf. Bald jedoch Autesion, den von Theben Ein Orakel nach den Dorern bannt, Sendet seinen Sohn und neues Leben, Die dem Eiland nahn mit fester Hand. Mag auch, was minoisch hier, der Kreter Hüten, schiebt sich doch das Weltgewicht, Gab sich Amalthea dieser Meter, Leuchtet uns vom Idaberg das Licht. Schickt es sich dem Sänger, froh zu rühmen, Was die Herakliden einst vollbracht, Gleicht jedoch nicht Nacht und Ungetümen, Was der Stier verlor an Mut und Macht. Seine Stunde gab nicht nur Bewährung Den Heroen, die Medusen feind, Als des Traumes zeichenpralle Gärung Hat er stets den ganzen Ring gemeint. Was wir unterm Idalicht gewinnen, Ist auch eine Wunde und Verlust, Wenn wir Minos’ Scherbenspur besinnen, Wird uns seine Vaterschaft bewußt. Wird wie er auch unser Traum verwehen, Dürfen Himmel, denen alles eins, Myriaden Schöpfungslichter sehen, Aber mancher Zeitenlauf hat keins. Im Lautenton Des Mittmeer-Raums, Bleib Erb und Sohn Des Minostraums. Er ließ die Macht Und wehrt sich nicht, Jedoch die Nacht Gebar das Licht. Was ihm entschwand, Verwandelt bloß, Das Meer, das Land, Das Menschenlos. Was er dir schenkt, Nimm dankbar an, Denn früher fängt Der Heilsplan an, Als die Geburt Uns glauben macht, Drum heg die Furt In seine Pracht. Und jeder Fahrt Ein goldnes Korn Sei aufgespart Aus seinem Born. |