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Aus »Traum von Atlantis«. Gedichte 1994   Vers 9083 bis 9152

INSEL-SONETTE


I

Im Schoß der Gaia träumt der Ring der Schlange
Allein sich selbst und hat im eignen Lichte
Maß und Genügen, und die Schwergewichte
Sind Eigenheit und wundersam im Schwange.

Nach ihrer Welle Gang und Atem richte,
Leg an der Tiefe Pulsen Ohr und Wange,
Und spür die Zartheit, die im Schwanensange
Erst wiederkehrt am Ende der Geschichte.

Die Muschel rüstet reinsten Glanz im Zwange,
Und daß ihr Schmerz vor ihren Feinden prange,
Entroll zum Sturm die ungetrübte Dichte,

Tief wissend, was du tust im Lebensdrange
Der Holden, der im Schmerzlichen so lange
Gewahr, daß einst ein Schrei die Insel sichte.


II

Noch lockt das Licht die silberne Spirale,
Noch hegt der Knabe, goldverbrämt am Bronnen,
Was er vielleicht in einem Scherz begonnen,
Und lauscht verträumt auf den Gesang der Wale.

Sein Sinn, vertraut mit ungezählten Sonnen,
Labt Hirt und Herde, stiftet Rituale
Und glänzt, benetzt von seinem eignen Strahle,
In Farben, aus dem reinen Weiß gewonnen.

Er, der die Huldin lockt und dessen schmale
Behende Hüfte sie zum neunten Male
Bezwingt, vom Rot des Frühtags eingesponnen,

Mischt unserm Durst in einer Wasserschale
Die schlichte Trunkenheit und die sakrale,
Geschwister, aus dem Schlangenblut geronnen.


III

So wie das Blau sich rein und offen breitet
Und leugnet, was das Meer des Adlers leide,
Empfängt das Floß Apolls im Prunk der Kreide
Saturn, der auf der höchsten Woge reitet.

Der Schmerz der Tiefen trägt das Goldgeschmeide,
Doch tiefrer Schmerz hat Götter hergeleitet,
Die im Geloh, das allen Traum entzeitet,
Das Vlies verbrannten und den Stab der Eide.

Nicht wie der Schnitter durch Getreide schreitet,
Nicht wie das Wasser dem Gefäß entgleitet,
Das keinen weiß, der ihm die Freiheit neide,

Sie sanken, wo ihr Reich, zum Ring geweitet,
Den Traum der Tiefe und die Flut bestreitet,
Ins Mal der Wunden und verschlossen beide.


IV

Es ist ein Trug, doch für den Gott ein lichter,
Daß uns das Glück im Herbstgewand erscheine,
Es gibt so viele Inseln, doch die eine
Ist ganz aus Glück und frommt allein dem Dichter.

Er spielt mit Muscheln und er reiht die Steine
Zu Rätseln, die die Ordnung der Verzichter
Durchkreuzen, denn es glaubt der Steine-Schichter
Allein der Wahrheit, die sich sagt im Weine.

Wohl möglich, daß insektengleiche Richter
Nicht sondern Harm und kindliche Gesichter
Und jeder Adel hinsinkt ins Gemeine,

Doch taugt die gottgewollte Form zum Schlichter,
Bis Bilderflut den Traum zum Selbstvernichter
Bestimmt und sich die Schlange regt im Schreine.


V

Leg dein Gesicht in Dämmerlicht und Schweigen
Und roll dich wie das Meer die Erdenklöße,
Daß dich der Wind aus der Erfahrung flöße,
Undines Schwestern Herbst und Abschied geigen.

Nicht wird der Stier des Zeus von deiner Blöße
Erfahrn, kein Faun sich noch im Laubicht zeigen,
Der Baum des Lebens überdacht mit Feigen
Dein Herz und wiegt sich im Gewicht der Stöße.

Erst wenn dein Odem schwelgt im Insel-Reigen,
Wird sich im Ring der Irminschlange zeigen
Die Seherin in ihrer wahren Größe,

Wird sich, dem Licht für einen Traum zu eigen,
Noch einmal ins Gesprüh der Flut versteigen,
Bevor sie heimkehrt in den Schoß der Schöße.