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Aus »Heliodromus«. Gedichte 1993 Vers 7794 bis 7843 CHRISTOPHOROS Wohlan denn, Los, so fall, ich will dich tragen, Spricht Jugend stolz mit ungeschütztem Blick, Doch mit den Jahren mehren sich die Plagen, Und wenn die Lungen ihren Dienst versagen, Springt dir zur Nacht ein Alp auf das Genick. Von mildem Sinn, der weiß, wie oft du fehltest, Bist du darob den Jüngeren nicht gram, Auch daß du manchen Undank dir verhehltest Und billig, was dir recht erschienen, wähltest, Sah der sofort, der hell vom Hügel kam. Wie soll der Knabe durch die Strömung waten, Nicht gut ist sein Gewand beschmutzt zu sehn! O atme tief und träum von guten Taten, Wer den Gesalbten trägt, ist wohlberaten, Mit kleinen Schritten durch die Flut zu gehn. Schon wird der Himmel finster und die Welle Empört sich wider deinen schwanken Schritt, Der Strom wird breit, der liebliche Geselle So schwer, daß du nur mühsam von der Stelle Dich rühren kannst und deine Bürde mit. Die Kröten spürst du heißes Gift verspritzen, Getier saugt aus den nackten Waden Blut, Die Natter selbst will ihren Teil besitzen, Derweil der Himmel mit gezackten Blitzen Die Strudel weckt und die Dämonenbrut. Und wie du stöhnst, gepeinigt und geschunden, Wächst dir der Knabe zum Koloß und gleicht Dem Turm zu Babel, der in Höllenstunden Als Horn und Stachel stößt in deine Wunden Und anderseits bis in den Himmel reicht. Nicht späht dein Aug den Dürren mit der Sense, Den du mit Inbrunst flehst, sofort zu nahn, Doch so als seien dir noch hundert Lenze Bewilligt, steigert sich der Schmerz zur Grenze, Da er sich aufhebt und verströmt im Wahn. Ein Herzschlag (oder ist es ein Jahrtausend), Da dir der Leib in Seligkeit zerfloß, Und du vollführst, durch Wassermassen brausend, Im Rhythmus deiner tiefsten Wunde hausend, Den Tanz der Jünger des Dionysos. Und dann stehst du allein am stillen Wasser, Der Kuß des Abschieds brennt, ein tiefer Schrei Nach diesen Lippen, ach, nach dem Verfasser Des Traums, nach deiner letzten Kraft Verprasser, Dem Gott, der dir verhehlte, wer er sei. Ein namenloses Bild, das rasch erblindet, Was kündet die Legende von der Fahrt? Ein Spiegel sei, was man im Gleichnis findet: Der kranke Mann, den sein Gebrechen schindet, Oder die Säule, die die Welt bewahrt. |