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Aus »Götzenspiele. Tragödie«.   Vers 70181 bis 70248

VIERTER AUFZUG. ZWEITE SZENE


Eine Pause, dann Maria, später Götz.

MARIA: Nun ist Johannis, doch es gibt kein Feuer,
Derlei Gebräuche schaffen Erderhitzung,
Im Dorf Gemunkel von erhöhter Steuer,
Tumult sprengt im Gemeinderat die Sitzung.
Und nirgendwo gibts Nachricht vom Verschollnen,
Mir scheints, als wollt ihn keiner mehr erwähnen,
Jüngst räumt ich den Pullover auf, den wollnen,
Den er gern trug. bis kamen die Hyänen.

GÖTZ (tritt auf):
Maria, es erstand der Totgeglaubte!

MARIA: Du bist es wirklich. Komm und laß dich herzen,
Der mir den Schlaf in allen Nächten raubte.
Was ist geschehn? Was läßt das Schicksal scherzen?

GÖTZ: Ich weiß es selber nicht. Gib mir zu trinken!
Ein Bier! Ich frage nicht mehr, welcher Marke.
Doch sollten dir verschiedne Flaschen winken,
So bringe dunkles Festbier, ja das starke.

MARIA (bringt das Bier, dann lebhaft):
Ja, du bist heil und kräftig, ganz der alte,
Du bist mir wieder da, ich mags kaum glauben,
Derweil ich zwischen Tod und Leben walte,
Unfähig, mir den Rotz herauszuschnauben.

GOTZ: Ach, Schwesterchen, die bist so hold zu schauen,
Auch wenn du klagst, so seh ich nicht den Schnupfen,
Sie werden unsre Bande nicht zerhauen,
Auch wenn sie selber sich die Federn rupfen.

MARIA: Von was für Leuten sprichst du, die zu trennen
Geschwister scheinen teuflisch wild entschlossen?

GÖTZ: Unmöglich alle Namen dir zu nennen,
Der Hölle mangelts niemals an Genossen.

MARIA: Du spaßest. Sag nur ehrlich dein Befinden!
Hast du dem Herrn gedankt, der dich befreite?

GÖTZ: Ja, du hast recht. Er kann allein entwinden
Dem Teufel, und er bleib an meiner Seite.
Ich preise den, der Tod und Nacht verwunden,
Der aus dem Grab kam uns am Osterfeste,
Der alles heilt, was in der Welt zerschunden,
Der in uns weckt die ausgebleichten Reste.
Was mir geschah? Mir wurden vorgehalten
All die Klischees, die sich im Fernsehn tummeln,
Auch traf ich im Verhörraum auf Gestalten,
Die sonst in der Gespensterbahn auf Rummeln.
Was mich befreite, weiß ich nicht zu sagen.
Ob Sickingen mir ward der Freiheitsbote?
Ein Häftling steckte mir vor ein paar Tagen,
Daß Terror den Regierungsrat bedrohte.
Ich fand um mich herum nur Rätselraten,
Und bin es müde, etwas zu gewichten,
Den Jäger ließ, Erbeutetes zu braten,
Die Lust, und er entschloß sich zu verzichten.

MARIA: Du treibst schon wieder mit Entsetzen Scherze,
Merkwürdig freilich bleibts, das keines Richters
Verurteilung dir, eine Nebelkerze
Der andern folgt zur Tarnung des Vernichters.

GÖTZ: Im höchsten Maße dem Gesetz zuwider
Ist Haft, die ohne Klag und Urteil dauert,
Doch heißt seit Jahrn der Grundbaß meiner Lieder,
In Deutschland ward die Freiheit eingemauert.
Drum will ich von Verfassung gar nichts hören,
Von Strafprozeß und andern Litaneien,
Im deutschen Lande läßt sich keiner stören,
Wenn tausende in den Verliesen schreien.
Erst wenn der Hunger umgeht, und im Winter
Die Heizung hat nicht Öl, noch Gas, noch Kohle,
Vermutet Michel den Betrug dahinter,
Und auf die Straße treibt ihn seine Sohle.
Wahrscheinlicher ist solch Szenarium heute,
Als all die vielen Jahre, die wir leben.
Immer perfider quälen sie die Leute
Bis sich die trägsten unter uns erheben.
(Beide ab.)